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Alt 10.06.2009, 21:26   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hallo Lord Skarak,

ich bin auch an deinen Zeilen hängen geblieben.
Dein Gedicht liest sich flüssig, das Handwerk stimmt, am durchgängigen 4-hebigen Jambus mit abwechselnd männlichen und weiblichen Kadenzen finde ich nichts auszusetzen.
Einige verwendete Reime, wie z.B. Herz/Schmerz gelten ja unter Dichtern als verpönt, doch ich persönlich halte nichts von diesem Vorwurf, da ich der Meinung bin, daß wir heutigen Dichter das Rad auch nicht mehr neu erfinden können. Und wenn es in den sprachlichen Kontext passt, dann empfinde ich das nicht als störend.
Weiter unten werde ich kurz noch ein paar Anmerkungen zur Zeichensetzung machen.

Also, das Formale ist abgehakt, dem Auge gefällt es. Jetzt wenden wir uns einmal dem Inhalt zu, der sich dem Leser nicht ganz so leicht erschließt.

Das Lyrische Ich ist durch irgendein Ereignis verletzt. Es brennt innerlich, so daß man davon ausgehen könnte, es handele sich um eine enttäuschte Liebe.
Die Verletzung ist also so groß, daß LI den Ort des Geschehens verlassen will und auf seiner Abreise noch einmal in Gedanken und visuell Abschied nimmt.
Die Baumgestalt sehe ich als ein Symbol des Lebens, so daß sie vielleicht die Liebe des LI's war, welche sich jetzt wieder frei dem Licht hingeben kann.
Eine Mitreisende (?) sieht LI in diesem Zustand des Abschiedsnehmen, doch es nimmt sie gar nicht richtig wahr, sondern empfindet sich in seinem Abschiedsschmerz vom sonnenbeschienenen Gewohnten nur noch als kleines Rädchen in einem riesigen Getriebe.
Die oft verwendete Lichtmetapher gibt mir zu denken, so daß ich fast der Meinung bin, daß LI zwar im Schmerz scheidet, aber nicht mit Hass im Herzen.
Es hat an diesem Ort gelebt und geliebt, es war schön dort.
Nur dort war sein Leben, daß nun vorbei scheint. LI lebt in diesen Lichtermeeren, es ist seine Vergangenheit und nur noch in Erinnerungen vorhanden. Auch diese möchte er gerne verzehrt sehen.

LI verlässt also verletzt und enttäuscht den Ort, wo es glücklich gelebt hat, um etwas ganz Neues zu beginnen, vielleicht um noch einmal von vorne anzufangen.
Mögen die Erinnerungen daran verblassen und mit ihnen der Schmerz.

So kommt das bei mir an. Ein großer Abschied, ein kleiner Tod.
Schöne Wortwahl, sphärische Bilder und mit dem Sonnensegler eine interessante Figur geschaffen. Der mit der Sonne segelt/reist.


Auch wenn ich nicht richtig gelegen haben sollte, hat es Spaß gemacht, sich damit auseinanderzusetzen, vor allem, weil auch die äußere Form sehr ansprechend ist.
Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


Mein Zug fährt ab, ich schaue auf (kein Komma)
und sehe diesen Tag erkalten;
Verletzt bin ich und kann den Lauf (kein Komma)
des späten Magmastroms noch halten.

Sie zieht nun dort, die Baumgestalt,
sie zieht dort durch die Nebelschatten.
Sie schaukelt sanft, verrinnend bald (kein Komma)
und lässt sich dann vom Licht begatten.

Das Land rinnt fort, der Zug vermählt
den Pulsschlag meiner Seele wieder, (Komma)
mit Weltentakt, der knatternd quält;
die Sonne schaut erbarmt hernieder.

Am Fenster hockt nun eine Frau (kein Komma)
und schaut mich an, sieht mich noch bluten;
Ihr Bild wird so verschwindend grau,
so blass beim Anblick jener Fluten, (kein Komma)

der Ströme des geliebten Lichts,
der Heimat meines Seelentaktes.
Im Sonnenschwall begreif’ ich nichts,
bin lodernd Teil des Weltenaktes.

Mein Auge bebt im Sonnenblitz,
sie sieht dass ich nur grinsend nicke;
so schau nur, Frau, von Deinem Sitz (Satzanfang klein, Semikolon)
herüber in die Sonnenblicke.

Die Lider sinken nicht, kein Schmerz
bedrängt mich wenn ich, wie ein Blinder,
so starre in das lichte Herz
der Welt und meine Sehnsucht minder. (kein Komma)

Hab’ keine Angst, es soll so sein,
ich bin der Sonnensegler, siehe!
Ihr blasser Glanz, ihr Strom, so rein!
Der Ort nach dem ich sehnend fliehe! (Satzanfang groß, Ausrufezeichen)

Mein Auge brennt nicht, dort bin ich
zuhaus’, in meinen Lichtermeeren!
Ihr Strom soll lodern hier für mich (kein Komma)
und alles was ich bin verzehren...
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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