Thema: Foren-Dichter
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Alt 17.10.2015, 11:39   #23
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin zusammen,

interessanter Faden, dann will ich auch mal meinen unbedeutenden Senf dazu geben.

Inhaltlich kann ich mit dem vorliegenden durchaus Text konform gehen, obwohl ich anmerken möchte, dass es ja jeder selbst in der Hand hat, ob er einen Nick ins Rennen führt oder seinen realen Namen benennt.
Allerdings kann auch ein Nick zu einem markanten Markenzeichen werden.
Wer allerdings immer wieder in verschiedenen Foren und unter verschiedenen Namen auftritt, kann nicht erwarten, dass seine Veröffentlichungen einer bestimmten Person zugeordnet werden, obwohl die im Internet veröffentlichten Texte solange existieren, wie auch das Web selbst bestehen wird, denn das Internet vergisst nichts.

Zitat:
Zitat von Agneta
ja, zu Beispiel-Autorentreffen fände ich gut.
Kannst du vergessen, hinterher wirst du immer enttäuscht, oft genug erlebt.

Zitat:
Zitat von Agneta
Warum muss man sich hinter einem Nick verstecken, obwohl man doch soviel in seinen Werken über sich preisgibt? Oder vielleicht gerade deshalb?
Muss man doch gar nicht, man kann. Zudem klingt manch fantasievoller Nick mit Sicherheit besser, als Karl Müller mit Realnamen.
Ich finde "Novalis" auch klangvoller als Friedrich von Hardenberg.
Das muss man nur konsequent durchziehen (s.o.), dann erhält auch der Nick mit der Zeit eine eigene "Identität".

Ob ein Autor etwas über sich selbst preisgibt, bleibt lediglich Spekulation und ihm selbst überlassen. Der Profi distanziert sich von seinen Texten, so kann ihn auch Kritik daran nicht persönlich treffen.
Anders verhält es sich natürlich, wenn eines der zahllosen "Jammerlieschen" seine Herzschmerzreime veröffentlicht, um der Welt zu zeigen, wie schlecht es ihm doch geht. Da trifft Kritik dann voll in die Fresse.

Zitat:
Zitat von Agneta
Der Vorteil ist, man macht sich ein Bild über den anderen ohne sich von Äußerlichkeiten beeinflussen zu lassen und doch kann man unter einem Nick alles mögliche darstellen, was man nicht ist.
Was ist daran denn von Vorteil? Du machst dir zwar dein Bild, aber das bleibt dein Problem, wenn es eben nicht so ist, wie es sich darstellt. Deshalb mache ich auch keine Autorentreffen mehr mit (s.o.).

Zitat:
Zitat von Agneta
Der Nachteil ist, man hat nie da Ganze und es bleibt immer oberflächlich-
Und das ist auch gut so, denn wenn ich mich noch mit den Befindlichkeiten und Seelenproblemen der Menschen, die hinter einem Nick stecken, auseinandersetzen müsste, dürfte ich gar nichts mehr zu deren Texten schreiben.
Ich bin doch nicht "Jammerlieschens" Seelenklempner. Diese Oberflächlichkeit kommt mir sehr entgegen.

Zitat:
Zitat von Agneta
Ich screibe nur unter Nick, , weil es die anderen auch so machen.
Ich springe aber nicht von einer Brücke, weil es die anderen auch so machen. Im Gegenteil finde ich meinen Nick originell und sehr persönlich. Auch ist meine Indentität keineswegs dadurch verschleiert, denn die meisten Menschen, die mich persönlich kennen, wissen auch um den Falderwald.

Zitat:
Zitat von Agneta
Meine Überlegung ist, warum wollen die Menschen immer oberflächlich bleiben?
Ganz einfach, weil in einem solchen Forum eben die Texte und nicht der Mensch dahinter im Vordergrund stehen. Das ist Sinn und Zweck einer solchen Plattform.

So, kommen wir mal zur Metrik.

Zitat:
Zitat von Agneta
Die Germanistik kennt 4 Metriksorten, die von den alten Griechen fest gelegt wurden.
Die Griechen haben also die deutsche Metrik festgelegt?
Dazu möchte ich anmerken, dass sich die "griechische" und die "deutsche" Metrik nur bedingt vergleichen lassen.

Das Versprinzip der antiken griechischen und lateinischen Dichtung beruhte auf dem regelmäßigen Wechsel von langen und kurzen Silben, ist also ein quantitierendes Versprinzip, wohingegen die deutsche Sprache so etwas gar nicht kennt. Hier herrscht das akzentuierende Versprinzip, das durch den regelmäßigen Wechsel von betonten und unbetonten Silben zustande kommt.

So neigt man auch dazu, Verben in den meisten Fällen betont zu lesen. Dies sind Tätigkeitsworte und daher meist aktiv und prägnant.
Dazu gibt es zwar kein eindeutiges Gesetz und sicherlich auch Ausnahmen, aber im Allgemeinen wird das so gehandhabt.

Und das ist auch das Problem des gewählten Metrums im vorliegenden Text.

Die erste Zeile habe ich sofort so gelesen:

Ach, was willst du lesen, erhabener Dichter,

X,xXxXx,xXxxXx

Das halte ich als Einstieg in einen Amphibrachys für sehr unglücklich, denn am Anfang der Zeile steht der starke Stoßseufzer "Ach", gefolgt von einem schwachen "was", welches mit einem ebenso schwachen "du" ein starkes "willst" umschließt.
Eine andere Betonung erschiene mir unnatürlich.

Nehmen wir als Beispiel zwei weitere Zeilen aus dem Gedicht:

Was hält dich bei Laune... ("was" und "dich" unbetont, "hält" betont)

Was ist das, wenn... ("was" und "das" unbetont, "ist" betont)

Und jetzt setze mal ein "Ach" davor:

Ach, was hält dich bei Laune...
Ach, was ist das, wenn...

Und dann soll das hier funktionieren

Ach, was willst du lesen

Warum das nicht funktioniert, erkläre ich weiter unten.

Zitat:
Zitat von Agneta
Die Germanistik kennt 4 Metriksorten, die von den alten Griechen fest gelegt wurden. Abweichungen sind möglich mit Vortakten.
Hier haben wir einen Anapäst mit Vortakt.
Es gibt aber nicht nur vier mögliche gleichmäßige Metren, sondern fünf.

Denn das, was du als Abweichung und "Anapäst mit Vortakt" bezeichnest, ist in Wirklichkeit ein Amphibrachys.

Und der setzt sich im Gegensatz zum Daktylus (Xxx) und zum Anapäst (xxX) aus einer mittleren betonten Silbe und den sie umklammernden zwei unbetonten Silben zusammen (xXx).

Sehr schön ist das z.B. an diesen Zeilen zu erkennen:

"Was hält dich - bei Laune"
xXx - xXx
ein Scherzchen- ein Herzchen - ein Küsschen - ein Link
xXx - xXx - xXx - (xX)

Doch z. B. in der ersten Zeile geht das nicht auf, weil dort das "Ach" am Anfang, durch Komma getrennt von der übrigen Zeile, ganz allein und isoliert dasteht.

Ich würde diese Kritik also nicht von der Hand weisen...


Die Frage ist doch immer, was erwartet ein "Forendichter", wenn er seine Werke auf diese Art und Weise veröffentlicht?

Ein Forum hat die Funktion, Menschen mit bestimmten gleichen Interessen die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch zu geben, weil sich für manche Dinge im realen Leben wenig Entfaltungsmöglichkeiten geben.
(Gerade speziell in der Lyrik habe ich es mir abgewöhnt, im Bekanntenkreis Texte vorzutragen, es sei denn, ich werde explizit dazu aufgefordert. Das Interesse ist einfach nicht gegeben.)

Also stellt ein "spezialisiertes" Forum eine gute Alternative dar, sich mit "Gleichgesinnten" auszutauschen.

Nun ist es aber so, dass sich in den Foren die verschiedensten Charaktere begegnen, genau wie im realen Leben.
So sind auch manchmal Auseinandersetzungen zu erwarten, wenn verschiedene Indviduen und Meinungen aufeinander treffen, vor allen Dingen wenn es sich dabei um Kunst, in unserem Fall also die Lyrik, handelt.
Die Begriffe "Kunst" und "Lyrik (also Dichtkunst)" sind frei interpretierbar und jeder darf sich demzufolge Künstler/in oder Dichter/in nennen, egal wie gut oder schlecht er/sie imstande ist, seine/ihre Kunst auszuüben.
Das bleibt nämlich stets relativ und hängt immer vom Standpunkt des Einzelnen ab, so spiegeln sich in Textrückmeldungen also lediglich die persönlichen Meinungen einzelner Betrachter wieder.

Meines Erachtens ist die Meinungsvielfalt aber gerade der Vorteil, den Foren bieten.
Nur durch solche Kommunikation kann man etwas lernen, auch und gerade wenn die Meinungen auseinander gehen.
Dabei muss man nicht immer konform gehen, aber es erscheint mir wichtig zu erfahren, wie ein bestimmter Text beim Gegenüber ankommt und welche Wirkung er warum erzielt.
Manch abweichende Meinung hat mir schon weiter geholfen, bei anderen hat sie meine eigenen Standpunkte erhärtet. Aber ich habe stets davon profitiert.

Allerdings kommt es im Einzelfall immer darauf an, wie man mit einer anderen Meinung oder einer Kritik umgehen kann und wie weit man das an sich persönlich heran lässt.


In all den Jahren meiner "Forenleben" habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, wenn etwas persönlich genommen wird und dabei gewisse "Künstlereitelkeiten" verletzt werden, dann läuft das auch immer wieder auf dasselbe hinaus:

Einer oder mehrere "Angekratzte" verlassen beleidigt die Szene.
Dabei ist Weglaufen eigentlich keine Alternative. Der wahre Künstler steht seinen Mann bzw. seine Frau und zeigt sich im Durchhaltevermögen.
Dazu gehört auch manchmal Streit, das ist so wie mit allen Dingen im Leben.

Vielleicht denkt man manchmal aber auch nur, der Klügere gibt nach.

Doch ehrlich gesagt liegt mir das nicht, weil nämlich dann immer nur die Doofen gewinnen.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)




Geändert von Falderwald (17.10.2015 um 13:25 Uhr) Grund: Fehlerteufelchen
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