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Alt 21.01.2012, 20:25   #5
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, Fridolin,

ja, leider. Und ich kann mich persönlich nicht des Eindrucks erwehren, dass die braune Pest an viel mehr Orten wieder "aufflackert", als es den (oberflächlichen) Anschein hat. Leider neigen zu viele Menschen zu einer sehr oberflächlichen Sichtweise. Das erinnert an das Mittelalter, wo es manche Stimmen gab, die einen Zusammenhang zwischen "Dreck" (Essensreste, mangelnde Hygiene, Fäkalien) und der Pest erkannten. Ganz einzeln gab es sogar welche, die die Vermutung hegten, sie könne mit den Ratten zusammenhängen. Leider aber wurde a) die "Verbindung" Dreck-Hygienemangel-Fäkalien-Ratten" nicht hergestellt und b) war es die Kirche, die dem widersprach. (Doch, tatsächlich. Denn es war ja die "Geißel Gottes" und konnte, nein, durfte daher nichts mit "profanen, weltlichen Dingen" zu tun haben.) Es fehlte auch die Nahtstelle: Das Wissen über den Rattenfloh als Pestüberträger. Zuerst starben nämlich die Ratten an der Pest, danach erst ging der Floh (da sein "Wirt" tot war) auf andere Tiere und den Menschen über.

Dieses "Überspringen" lässt sich gut übertragen, finde ich. Nur dass die Wirte bei der braunen Pest nicht zuerst sterben, das sind "Typhoid Marys", die zwar erkranken und die Krankheit übertragen, aber am Leben bleiben - nun ja, am Ende starben sie zwar ebenfalls (wenn auch nicht alle, leider), aber ich glaube doch nicht, dass ein einziger Mensch, der nicht "infiziert" und Herr seines Verstandes ist, das damals Geschehene heute erleben möchte.

Ich wünschte mir auch, dass solche Texte nicht (mehr) notwendig wären. Dem ist aber nicht so.

Danke für deinen Kommentar.

Liebe Grüße

Stimme

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Hallo, Lipiwig,

Zitat:
Ein formal stimmiges Sonett, das du hier präsentierst. Einzig die "Idioten" fallen mir auf, da sie für mich ungewohnt betont werden. Der Inhalt ist schwere Kost, wie es bei diesem Thema halt nun einmal so ist.
Zuerst: Danke für dein formales Lob.
Das mit den "Idioten" stimmt. Und ich gebe auch freimütig zu, dass ich mir bei einigen Worten sogar die regionalen Unterschiede "zunutze" mache, wenn ich ein ganz bestimmtes Wort aus inhaltlichen Gründen dem Metrum "anpasse". Allerdings ist es schon so korrekt, wie Fridolin in seinem zweiten Beitrag schreibt. Ich verwende selbstverständlich in erster Linie die korrekte Silbentrennung. Nur ab und zu ordne ich die Form mit "kleinen Tricks" durchaus dem Inhalt unter. Wenn dieser mir ggf. eben "wichtiger" ist.

Weißt du, ich bin der Überzeugung, dass wir auch "schwere Kost" zu uns nehmen sollten. Leider scheint die momentane Gesellschaft auf "Leichtkost" zu bestehen, das merkt man sowohl an den Light-Produkten im Supermarkt als auch in allen anderen Bereichen - es genügt schon, die "meistverkaufte Zeitung Deutschlands" als Beispiel anzuführen, oder auch so "geistreiche" Sendungen wie "Dschungelcamp". Körperliche und geistige "Leichtigkeits-Welle", sozusagen. Und die meisten schwimmen mit. Und genau das macht solche Gedichte ja notwendig. Wäre es anders, müssten sie nicht geschrieben werden.

Zitat:
Die Idee der Verbindung der echten mit der braunen Pest finde ich sehr interessant; habe ich so noch nicht gelesen, obwohl es das Bild von der "braunen Pest" im Sprachgebrauch gibt.
Genau das brachte mich auf die Idee.

Zitat:
Die Art und Weise des Übergangs in S2 V2 und 3 von der einen zur anderen Pest suggeriert für mich eine zeitliche Nähe, die es so mE nicht gibt. Aber vielleicht täusche ich mich auch, da es Pogrome z.B. gegen Juden schon sehr lange gibt.
Im Mittelalter glaubten die Menschen, die Pest träte "zyklisch" auf - ungefähr alle 7 Jahre. Braune Pest = 70 Jahre? Auch das war eine "Idee", die zur Verbindung führte. Und beide "Pestarten" haben die Bevölkerung Europas drastisch reduziert, wenn ich das mal so "sachlich" als reines Faktum erwähnen darf. Nach beiden ging es wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich "aufwärts".
Nur kam eben die Menschheit durch die schwarze Pest nicht zur Vernunft, und durch die braune, wie ersichtlich, auch nicht. Nach beiden gab es "Optimismus, Aufbau und gesellschaftliche Veränderungen". Aber kam "etwas wirklich ins Lot"? Kurzzeitig, nicht? Denn letztlich ist jeder Krieg einer Nation gegen eine andere Nationalismus - und zweifellos braun gefärbt, egal, welche Farbe eine Fahne hat. Nur war die letzte "Epidemie" der braunen Pest die bislang schlimmste von allen, die je dagewesen war. So viele Menschen starben (im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gesehen) zuvor nur durch die schwarze Pest. Schwarze und braune Pest haben noch eine "Gemeinsamkeit": Beide konnten zur Epidemie auswachsen, weil beide die menschliche Dummheit als Grundlage hatten.

Es ist also genau genommen schon absichtlich so, dass hier kein "wirklicher zeitlicher Übergang" stattfindet, denn "Dummheit" ändert nur die Farbe, wie es scheint. "Zeit" spielt keine Rolle, darauf weist auch Vers 3 im zweiten Terzett hin.

Zitat:
P.S: Das passt auch sehr gut zum Erinnern an die Wannseekonferenz gestern vor 70 Jahren!
Wie schön wäre es doch, wenn es bei einer Erinnerung bliebe ...

Danke für deinen Kommentar!

Liebe Grüße

Stimme

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Hallo, Fridolin,

danke, dass du dich noch einmal gemeldet hast. Ich gebe ein Schmunzeln (auf rein formaler Ebene) zu, und sage: Wenn es passt, auf jeden Fall die "offiziell korrekte Version". Wenn der Inhalt aber (für mich ganz persönlich!) nach ein wenig "Umgangssprache" verlangt, dann bin ich manchmal durchaus so frech.

Liebe Grüße

Stimme

(P.S.: Selbst Goethe war es ja auch. )
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