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Alt 26.08.2017, 13:02   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Laie!

Die Frage in deinem letzten Kommi verursacht den heutigen Spagat zwischen dem, was man als "klassischer Dichter" noch als Sprachkunst bezeichnen könnte - und dem, was gemeinhin unter "moderner Lyrik" subsummiert wird:

Im Bemühen, immer "neue", originelle, sich von bekanntem Material abhebende "Formen" und sprachlich/klangliche Ausdrucksmöglichkeiten zu kreieren, verstieg man sich - aus "klassischer" Sicht der schönen Sprache an sich - in bisweilen abstruse, akademische Konstrukte, die mit dem, was "geerdetere" Sprachformer noch als Sprachkunst bezeichnet wissen möchten, nicht mehr viel gemein haben, um es mal höflich zu formulieren.
Es ergeben sich also zwei grundlegend unterschiedliche lyrische Konzepte: Die einen suchen nach immer neuen Varianten oder Möglichkeiten, sich auszudrücken, auch auf Kosten der sprachlichen "Schönheit" und klanglichen Harmonie, nur um eben "neu" und unverbraucht zu klingen und sich so möglicherweise einen Namen zu machen - die anderen bleiben im "harmonischen" Bereich dessen, was sie als schön und elegant, klingend und wohlformuliert verstehen, um sich und ihre Sprache dort zu verfeinern und zu erweitern.

Die ewige Frage: Fortschritt im jeden Preis, auch auf Kosten der Sache an sich - oder Erhaltung, Hege, Interpretation und Bemühen um Größe im Kleinen, das in einem bewährten Rahmen bleibt ... - jedermanns Entscheidung!

Man möge mir vergeben, dass meine persönliche Überzeugung die Argumente hier durch entsprechende Wortwahl eindeutig färbt, aber ich bin eben von deiner "Sorte":
Ich liebe solche Gedichte, mögen sie bestimmten schon dagewesenen Stilen auch nahe stehen - es sind doch immer individuelle Neuinterpretationen von Duktus, Wortwahl und Thema, die durchaus auch vom möglichen Vergleich leben und darin einen zusätzlichen Mehrwert finden!
Klar, die "Modernen" zeihen uns darob gern des Plagiats oder des Epigonentums - aber wenn ich vor der Wahl stehe, was ich lieber lesen möchte, dann fällt mir diese nicht schwer!

Im Gegenteil: Ich freue mich kringelig, wenn jemand es schafft, einem (von mir so vergötterten) Rilke so nahe zu kommen, dass es auffällt! Ich lese seine Werke so gerne, aber es kann nie genug Lyrik von solcher Qualität geben, finde ich! Man kann es so sehen, dass unsereins die Fackel weiterträgt und versucht, jene Werke zu schaffen, für die der gute Rilke oder jeweils andere lyrische Vorbilder leider nicht lange genug gelebt haben!
Dass ich dafür von manchen als Nachahmer und Traditionalist bezeichnet werde, kratzt mich nicht. Ich tue, was ich liebe, indem ich so dichte, wie ich es tue, und ich genüge mir darin. Literarische Namhaftigkeit ist eine eitle Illusion, allzu rasch im erbarmungslosen Strom der Zeit versunken. Die Entropie der Vergänglichkeit macht uns irgendwann alle gleich - obsolet!

Wichtig ist, womit WIR uns im Hier und Heute wohl fühlen, wenn wir kreativ sind! Nur dann sind wir wirklich ganz bei uns, ohne verschleierte Komplexbewältigung und zwanghafte Fütterung eines beschädigten Selbstwertgefühls.

Darum: Allergernst gelesen, genossen und bewundert! Danke für diese höchst gelungene Reminiszenz!

Peanut: Letzte Zeile - die "Beete" vermissen ein "e".

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (29.07.2019 um 18:17 Uhr)
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