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Alt 30.05.2011, 20:08   #7
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo zusammen,

bevor ich gleich im Speziellen auf eure Antworten eingehe, möchte ich mir ein paar einleitende Worte erlauben:

Wir haben es hier mit einem Text zu tun, der einen bestimmten Sachverhalt beschreibt und im "Stammtisch" steht, wo u. a. gesellschaftliche Themen berührt werden.
Genau wie im Realleben gibt es auch im virtuellen Forenleben eine Gesellschaft mit den ihr eigenen Strukturen und herausragenden Typen im positiven, wie im negativen Sinne.
Jedes gesellschaftliche Gebilde beruht letztendlich mehr oder weniger auf Solidarität.
Der Gemeinschaftssinn als Summe aller Individuen einer Gesellschaft bestimmt diese und verleiht ihr das Aussehen.

Wenn ich nun im Realleben z. B. über Hartz IV schreibe, die Situation der Betroffenen schildere, aber auch eine bestimmte Ausnahme erwähne, die es sich ganz bewusst ohne Arbeit "gut" gehen lässt, warum auch immer, indem sie das bestehende System für ihre Zwecke benutzt, dann ist das ein möglicher Vorgang, den ich als Dichter fiktiv beschreiben darf.

Wenn sich in einem angenommenen Forum ein angenommener User anmelden würde, der dort zwei Jahre oder länger verbringt, angenommene 600 Beiträge verfasst, von denen 150 eigene Themen sind und weitere 425 Beiträge auf diese entfielen, dann wäre das ein zu beobachtendes Missverhältnis und darum ist nicht einzusehen, warum man über dieses "Kuckucksei" nicht schreiben dürfte.

Ich habe hier eine fiktive und sehr allgemein gehaltene Story geschrieben, mit einem Protagonisten, den ich "Der Forenoptimist" genannt habe.

Sein Verhalten ist explizit im Text nachvollziehbar, er hat sich gezielt angemeldet, um von der Community ein Feedback zu seinen Werken zu bekommen und vernachlässigt im Gegenzug alle anderen, weil er sich fast auschließlich auf sich selbst und seine Werke bezieht.
Ich nenne ihn einen Narzisst, weil er sich bewusst und optimistisch dafür entschieden hat.
Dabei sind mir seine Motive und Gründe völlig egal.
Es geht nicht darum, warum er das tut, sondern daß er es tut.

Und es ist im Grunde auch völlig egal, ob er das tut, denn jeder ist so, wie er ist und nutzt das bestehende System auf seine Weise (s. o.), das ist ja sein gutes Recht.
Warum ich aber über diesen angenommenen Fiesling nicht schreiben darf, ist nicht einzusehen, wir schreiben schließlich auch über andere Typen aus Politik, Religion, Showgeschäft und dem sonstigen öffentlichen Leben.
Da darf das virtuelle Leben kein Tabu sein.

Da klang aber ein wenig Gesellschaftskritik mit durch, nicht wahr?
Das sollte ein solcher Text auch hergeben, denn was bringt er, wenn er nicht gleichzeitig zum Nachdenken und Diskutieren einlädt?

Das scheint mir hier auch gelungen zu sein, denn die Resonanz ist ja gegeben. Warum aber meine letzte Strophe, also die Conclusio, die ja eine Moral enthält, hier weitestgehend bei der Kritik übergangen wurde, will sich mir nicht erschließen, genau wie die Menge der vorgetragenen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe für dieses oder jenes Verhalten.

Jeder kann doch tun, was er will, er ist doch völlig frei in der Entscheidung, das kritisiere ich doch gar nicht, aber ich darf eine fiktive und sehr allgemein gehaltene Story darüber schreiben, auch dieses Recht steht mir zu und ist meine Aufgabe als Dichter.

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Hi Stimme,

dein Gedicht beschreibt den Sinn eines solchen Forums sehr treffend, denn die Community kann nur funktionieren, wenn miteinander und wechselseitig kommuniziert wird, denn das sind die Grundlagen des virtuellen Forenlebens.
Auch die verschiedenen Charaktere und Verhaltensweisen hast du gut beschrieben und dargestellt.
Das deckt sich mit meinen langjährigen Beobachtungen.

Nun, die sogenannten Nicht-Kommentierer haben ja trotzdem ihren Austausch, denn ihre Gedichte werden ja durchaus frequentiert und besprochen.
Das ist ja gerade die Ungerechtigkeit dabei, denn diejenigen, die sich immer die Mühe geben auch (mal) andere Texte zu besprechen, hätten es doch verdient, ihrerseits auch (mal) ein Feedback von jenen zu erhalten.
Man kann doch nicht von einigen wenigen erwarten, immer nur zu geben, obwohl sie das gerne tun und zudem, wenn sie es nicht täten, man ein solches Forum auch schließen könnte, weil dann niemand mehr irgendwo kommentieren würde.
Letztendlich wäre der Sinn eines solchen Forums damit in Frage gestellt.

Und genau das ist hier die Thematik anhand meines fiktiven Protagonisten, die ich mal aufzeigen wollte...


Hallo Thomas,

mir ist es bewusst, daß dies ein provokanter Text ist und durchaus kritische Reaktionen hervorrufen würde.

Fangen wir ausnahmsweise mal von hinten an.
Ich habe nicht geschimpft, sondern, wie oben in meiner Einleitung bereits erwähnt, eine fiktive Story mit einem fiktiven Protagonisten geschrieben, die Stoff zum Nachdenken und Diskutieren liefern soll.

Dieser Faden hier ist nichts anderes, als ein Aufruf zur Kommunikation, denn auch du hast dich, obwohl du die Kommunikation in einem Forum schwieriger findest, zu Wort gemeldet, weil du etwas dazu zu sagen hattest.
Das ist doch schon mal ein Anfang, oder?

Du stellst jetzt die Frage nach einer Idee, wie man die Kommunikation zwischen Foren-Mitgliedern persönlicher und vertrauensvoller machen kann.
Das ist problematisch, denn wer sollte das machen, als diese Foren-Mitglieder selbst, denn sie sind es ja, die in einem Forum zusammen treffen, um zu kommunizieren.
Kommunikation aber kann man nicht von außen gestalten, diese gestaltet sich immer selbst. Wir können hier lediglich die Plattform stellen und einen kommunikativen Austausch inklusive eines nichtöffentlichen Bereichs über den Themenschwerpunkt hinaus ermöglichen. Nutzen muss dies jeder selbst.
Wie du siehst, ist das eine schwierige Frage, denn jeder bringt seine eigene Vorstellung mit.
Was uns aber alle vereint, ist die Liebe zur Lyrik, sonst hätten wir uns ja hier nicht angemeldet.
Warum kann man sich da nicht wechselseitig austauschen, zumindest auch einmal darum bemühen?
Denn es gilt, nicht immer nur die eigenen Werke zu beleuchten, das ist nämlich der in meinem Text beschriebene Narzissmus.

Ich weiß nicht, ob du die griechische Sage darüber kennst.
Narziss, ein 16-jähriger Jüngling entzog sich der Liebe der Nymphe Echo und wurde von Nemesis zur Strafe mit einem Fluch belegt, so daß er sein eigenes Spiegelbild in jedem Wasser lieben musste, welches sich ihm gleichfalls immer wieder entzog.
Warum ich das erwähne, ist sehr wichtig, denn das ist nur deshalb geschehen, weil Narziss und Echo ein Kommunikationsproblem hatten.
Echo war nämlich ihrer Sprache beraubt und konnte nur die letzten Worte des zu ihr Gesprochenen wiederholen, so daß Narziss sich ihrer Umarmung entzog.

Es konnte also gar keine echte Kommunikation stattfinden, weil einer der beiden der Sprache nicht mächtig war.
Das sollte unter Dichtern aber anders sein, denn die Worte sind ja schließlich ihr Werkzeug.

Im heutigen Alltagsverständnis ist der Narzisst ein Mensch, der sich sehr auf sich selbst bezieht und dabei andere Menschen vernachlässigt.
Deshalb ist meine Metapher auch mit Bedacht ausgewählt und von einem Egoisten habe ich nie gesprochen, sondern in der entsprechenden Strophe den Ausdruck Optimist gewählt, weil er sich ja durchaus etwas erhofft.

Warum darf ich meine fiktive Person nicht so benennen? Was ist daran anders, als die Kritik im "Philosophierenden Bauer", der sich selbst zu wichtig nimmt und seine Bedeutung überschätzt, indem er altklug daherschwatzt?

Kannst du als Neuling hier gemeint sein?
Hast du dich mit den im Gedicht beschriebenen Absichten hier angemeldet?
Die Antwort hast du ja schon prinzipiell gegeben, so daß wohl kaum davon auszugehen ist.

Und zu deiner Beruhigung kann ich dir sagen, du brauchst dir nicht blöde vorzukommen, wenn du einem Autor auch mal mit einer kurzen Erklärung zu verstehen gibst, ob sein Text in deinen Augen gelungen ist oder aber eben weniger. Das muss ja kein Roman sein und der Autor freut sich, womit ein erster Schritt zu einer persönlicheren und vertrauensvolleren Kommunikation getan ist.


Na Yoa,

ich kann dir versichern, daß dies nichts mit deinem neulichen Eintrag im Chat zu tun hatte, die Idee kam mir schon viel früher.

Wenn ich allerdings deinen weiteren Eintrag anschaue, dann frage ich mich, was du gelesen hast, meinen Text oder Thomas' Beitrag, daß du beanstandest, ich würde jedem, der nicht kommentiert, Narzissmus und Egoismus unterstellen.
Zeig mir bitte die Stelle im Gedicht, wo ich von Egoismus sprach.
Zum Narzissten bekenne ich mich schuldig und verweise auf meinen demenstprechenden Eintrag in meiner Antwort an Thomas.
Es ist meine gewählte Metapher, die einen fiktiven Extremfall bezeichnet.

Findest du dich darin wieder?

Du hast es doch gar nicht nötig, dich hier zu rechtfertigen, warum du zur Zeit nicht dieses oder jenes tun kannst.
Das hat niemand verlangt, das interessiert niemanden und geht auch schließlich niemanden etwas an.
Was du per PN mit anderen austauschst, gehört eigentlich auch nicht hier hin.

Das ist meine ganze Rede von der Distanz zum Text.
Ich kann mich von ihm distanzieren, weil er ein eigenständiges Kunstwerk ist. Eine fiktive Story, zwar mit realem Hintergrund, aber dennoch frei erfunden und deshalb kann mich eine Kritik an der Aussage auch nicht persönlich treffen.
Und der Text scheint gut gelungen zu sein, wenn ich die Reaktionen hier lese.

Weißt du jetzt, was mit lyrischen Mitteln alles möglich ist?


Servus larin,

Ärger?
Ja, mit zwei penetranten Zicken unten am Lagerfeuer...

Du hast eine sehr gesunde Einstellung zum Forenleben, an der es aus meiner Sicht nicht das Geringste zu bemängeln gibt. Ich halte das ähnlich.

Natürlich soll die ganze Sache Freude machen und die Freiwilligkeit steht an oberster Stelle.
Ich stimme auch deiner Schilderung der verhindernden Umstände und der verschiedensten Charaktere vorbehaltlos zu, ebenfalls, daß diese nicht alle Narzissten sind.

Das ist ja auch hier gar nicht das Thema und schon mal gar kein Rundumschlag, sondern lediglich die fiktive Darstellung eines bestimmten, möglichen Typus' und zudem recht allgemein gehalten.
Und mal ehrlich, gibt es diesen Typ und wenn ja, wer sollte hier explizit benannt und mit Rausschmiss bedroht werden, obwohl er in keiner Weise gegen das bestehende Regelsystem verstoßen hat?
Solche Zwangsmaßnahmen wären doch lächerlich, oder?

Da werfe ich lieber ein Gedicht in die Diskussion und rege zum Nachdenken an.

Ich weiß wirklich nicht, warum sich einige ertappt und angesprochen fühlen, denn der wahre Forenoptimist wird seinen Prinzipien sowieso weiterhin treu bleiben und sich hier ganz bestimmt nicht zu Wort melden.

Und so nutze ich die gegebenen Bedingungen, um einen interessanten Faden zu schaffen, ganz nach meinen dichterischen Möglichkeiten und Fähigkeiten, um hier Kommunikaton zu erzeugen, was zweifellos auch gelungen ist.

Manchmal braucht es eben auch den Advocatus Diaboli und wenn das kein anderer macht, dann muss ich halt ran...

Gemeinschaft muss immer wieder neu erarbeitet werden, um lebendig zu bleiben. Jede Einseitigkeit vernichtet sich selbst.
Und da wir hier eine Community sind, muss jeder auf seine Art diese tragen und fordern und da bietet sich ein Gedicht unter Dichtern doch geradezu an, oder?


Ach ja, LyTau,

hätte mich auch gewundert, wenn du dich hier nicht zu Wort gemeldet hättest...

Immer, wenn es dem bösen Faldi was ans Zeug zu flicken gilt, bist du bei der Stelle. Ich fange langsam an, mich daran zu gewöhnen.

Interessante Interpretation das, mit der Selbstkritk.
Es wäre schön, wenn du mir das an den entsprechenden Stellen näher erläutern könntest.

Selbstverständlich ist der Inhalt des Themas problematisch, sonst wäre er ja gar nicht interessant genug und der Rede wert.
Leider bringst du jetzt nicht viel Neues, als langwierige Begründungen, warum Kommunikation eben nicht möglich sei, obwohl ein Forum doch genau dazu gedacht ist, nämlich zum gegenseitigen Austausch über bestimmte Schwerpunkte, die uns alle durch eine gemeinsame Vorliebe, nämlich die Lyrik, verbinden.

Und nein, ich präsentiere in meinem Gedicht keine schwarz/weiße, sondern nur eine rabenschwarze Version eines fiktiven Typen, der sich auf Kosten der Allgemeinheit intellektuell zu bereichern sucht.

Leider finde ich den einzigen "unechten" Reim nur in der ersten Strophe (hält/Welt). Das reimt sich aber, deswegen habe ich damit auch keine Probleme.
Zu den restlichen Äußerungen zum Formalen sage ich jetzt nichts, ist besser so, vielleicht solltest du dir deine Aussagen noch einmal selbst vor Augen halten, dann weißt du was ich meine.
Aber das ist ja nur dein persönliches Empfinden und das sei dir unbenommen...


Fazit:

Ich finde es sehr interessant, wie alle Beiträge hier, mit Ausnahme der ersten Antwort, lediglich krampfhaft darum bemüht sind, die Gründe darzulegen, warum in einem Kommunikationsforum eben nicht kommentiert werden kann.

Zitat:
Gemeinschaft ist ein schönes Wort,
doch kann sie schließlich nur gelingen,
wenn sich an einem Dichterort
auch alle etwas rüberbringen.

Nun, das haben wir hier zweifellos geschafft, so daß mir nun nichts anderes übrigbleibt, als mich herzlich für diesen interessanten Austausch bei allen Teilnehmer/innen zu bedanken...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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