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Alt 12.03.2018, 21:07   #57
Felix
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Standard Flüchtlingspolitik

Hallo Leuchtfeuer,
ich versuche mal, ganz sachlich zu bleiben. (Was passiert eigentlich, wenn thommi die Beherrschung verliert? Implodiert er dann?)
thommi hat mich aufgefordert ("Mein Tipp für dich: Geh mal in Solingen durch die Straßen..."). Er konnte ja nicht wissen, dass ich jahrelang in Solingen gelebt und gearbeitet habe. Vielleicht ist es ihm entfallen, dass er gerade nach genau 25 Jahren einen Teil meiner Erinnerungen an Solingen wach gerufen hat. Was das mit Salafisten zu tun hat? Die Anfänge (nicht nur in Solingen, auch in Rostock oder Hoyerswerda - nur zur Erinnerung: "Kippen klauen. So fängt es an. Sieben Jugendliche ziehen in Hoyerswerda zum Lausitzer Platz, "überwiegend Glatzköpfige", sagt später ein Polizist als Zeuge über den 17. September 1991. Bier, Schnaps, Skinhead-Melodien, die Stimmung steigt, dann sind die Zigaretten aus. Also los, die Vietnamesen bestehlen, die damit in Holzbuden auf dem Marktplatz handeln. Gegenwehr, beide Seiten bewaffnen sich, Zaunlatten gegen Tischbeine. Die Vietnamesen hauen ab, die Skins hinterher. Bis vors Heim. "Kommt raus!", rufen sie, "Deutschland den Deutschen! Kanakenviehzeug!" - und anderswo rotteten sich Neonazis zusammen, brandschatzten, verletzten und ermordeten Menschen und dann wundern wir uns, dass Salafisten Zulauf bekommen.
In Solingen - wo ich ja mal durch die Straßen gehen soll - wurden Menschen ermordet. Wenn ich Frau Genç lobend erwähne, dann missbrauche ich sie nicht, sondern erlaube mir das, weil eines ihrer Familienmitglieder (Hatice) eine meiner Schülerinnen war (in einer Weiterbildungsmaßnahme mit 40 Schülern und Schülerinnen - Deutsche, TürkenInnen und ItalienerInnen -, die ohne sonderliche Probleme miteinander arbeiteten und lernten, ihren Schulabschluss (bis auf eine Teilnehmerin) schafften und einen festen Arbeitsplatz, einige auch eine Lehrstelle bekamen.
Am Solinger Beispiel lässt sich gut ablesen, wie die Dinge sich entwickelt haben: Zuerst war ein relativ gutes Zusammenleben möglich, dann kamen die hasserfüllten Aktionen (z.B. das Abfackeln des Hauses mit den fünf Toten und einem guten Dutzend Verletzter) durch rechtsradikale deutsche Jugendliche. Von Salafisten war Anfang der neunziger Jahre noch keine Rede.
Mich wundert es nicht, dass junge Menschen (unter ihnen auch Deutsche) auf die Parolen der Salafisten rein fallen. Es wundert mich auch nicht, dass es unter uns Leute gibt die auf die rechtsradikalen Losungen von Alt- und Neonazis (oder auf linksradikale von unverbesserlichen Kommunisten) abfahren.
Beide Gruppierungen bieten keine Lösungen an, sondern verschärfen den Konflikt, wobei zur Zeit die Opferzahlen hauptsächlich durch die Gewalt von rechts überwiegen.
Du hast die Flüchtlingsproblematik zum Thema gemacht. Glaubst Du, ich wäre so bescheuert, dass ich die Probleme nicht wahrnehme?
Bevor Du fragst: Nein - ich habe auch keine Lösung parat. Ich sehe nur, dass die große Mehrheit aller Flüchtlinge, Asylsuchenden und wie auch immer sie genannt werden, ihr Land verlassen, weil sie um Leib und Leben fürchten müssen. Dass es unter den vielen auch welche gibt, die gegen unsere Gesetze verstoßen, muss mir niemand erzählen. Dass da auch die Politik versagt hat, ist eine Binsenwahrheit. Panikmache und Verächtlichmacherei der Nachdenklichen ist jedenfalls keine Lösung. Der Aufruf von Stefan: "Diskutiert lieber mit gleich Gesinnten" - wie diskutiert man denn mit Gleichgesinnten?
Da Du das letzte Wort in Deinem Faden haben willst, das sei Dir unbenommen.
Dieser Beitrag von mir war jedenfalls der letzte von mir und ich verabschiede mich mit einem Zitat von B. Brecht:

"Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert
und handelt; statt zu reden noch und noch.
So was hätt' einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
daß keiner uns zu froh da triumphiert -
der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."

Felix

Geändert von Felix (12.03.2018 um 23:46 Uhr)
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