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Alt 05.01.2017, 17:24   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Angelika!

Du sagst, mein Gedicht träfe "nicht den Kern", ohne überhaupt wissen zu können oder nachgefragt zu haben, worum es sich bei diesem Kern denn handeln könnte!

Sorry, aber du nimmst häufig gleich bestimmte Präliminarien als gegeben an oder setzt bestimmte Absichten voraus, anstatt ein Werk erst mal ganz aus sich heraus auf dich wirken zu lassen - so zumindest mein Eindruck bezüglich deiner zuweilen voreiligen Schlüsse.

Zu diesem Gedicht:

Ich sah vor ein oder zwei Jahren eine Doku über den Niedergang der amerikanischen Autoindustrie und das damit einhergehende Schrumpfen und Verelenden von Detroit und anderen nördlichen Industriestädten, und dieser Bilder erinnerte ich mich heute morgen rein zufällig, als ich nach einem Thema in Richtung "Stadt" für ein Gedicht suchte.
Ich sah damals - als von Trump noch keine Rede war - ganze Viertel praktisch verlassen, Straßen mit brettvernagelten Fenstern, die Erdgeschoße mit Graffitis zugeschmiert oder mit zerfledderten Plakaten verkleistert, mit verstaubten Auslagen, zersprungenen Scheiben, ungereinigten Wegen mit ausgeschlachteten Autowracks, verwilderten Vorgärten, abblätternder schmutziger Farbe usw... Eine verfallende Stadtruine (zumindest in den Suburbs), durch die nur noch sporadisch Menschen wie schlaffe Zombies schlurften oder untätig in den Hauseingängen "abhingen", wo sie tranken und vergessen wollten, wenn sie alt waren, oder tranken und auf Ärger aus waren (Siehe Gangmachoscheiße für Bildungsferne usw.), wenn sie jung waren.

Ich wollte nichts weiter als nur ein Stimmungsbild meiner Eindrücke zu diesem Verfall erschaffen - mit Trump hat das mal gar nichts zutun, zumindest dachte ich überhaupt nicht an ihn, als ich es schrieb. Zudem will Trump ja gerade an diesen Zuständen etwas ändern (wenn auch mit in meinen Augen hirnverbrannten Methoden - siehe Abschaffung von Obamacare, Mauer zu Mexiko, usw..), also würde es ohnehin nicht als Kritik an ihm taugen.
Man könnte höchstens extrapolieren, dass am Ende seiner Amtszeit womöglich ALLE amerikanischen Städte so ausschauen wie Detroit heute! Aber das wäre reine Mutmaßung, und - wie gesagt, meine Intention war eine ganz andere.

Und zuletzt: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit solchen politikfreien Stimmungsbildern, zu denen man sich selbst Gedanken machen kann und dies dem Publikum auch zutraut, die Menschen eher erreicht als mit Daten, Fakten und Hintergrundwissen, die einem mit mahnend geschwungenem Zeigefinger die Nase hochgeschoben werden!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (06.01.2017 um 20:47 Uhr)
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