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Alt 02.01.2017, 13:05   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy!

Schön analysiert!

So ein Schicksal ist in etwa zu gleichen Teilen vom Täter gestrickt wie von denen, deren Oberflächlichkeit und leichthin verteilter Spott den Täter erst in diesen "Tunnel" trieben (Danke für dieses Bild! )!

Im Nachhinein wird mit Verständnislosigkeit um sich geworfen, aber ich Grunde wissen wir alle spätestens seit unserer Schulzeit ganz genau, wie so etwas passiert: Demütigung und Verachtung über Jahre hinweg, Mobbing und seelische Grausamkeit - und diese treffen auf eine sozial ungeübte Seele, der jegliche Anerkennung versagt wird und die dadurch in immer größere Extreme getrieben wird und sich nicht aus diesem Teufelskreis zu lösen vermag, bis die einzig gangbare Option ein finaler Befreiungsschlag ist, mit dem sich dieses gequälte Bewusstsein auch quasi selbst tötet. Deshalb verüben die meisten Amokläufer mit solcher Motivation Selbstmord: sie sind eben keine asozialen Psychopathen oder politische Wahnsinnige, die eine Botschaft in die Welt kotzen möchten - sie sind gefolterte Seelen, die ihr Dasein unter solchen Umständen nicht mehr ertragen und keinen anderen Ausweg mehr wahrnehmen können oder wollen: Ein einziges, letztes Mal respektiert sein (wobei sie Furcht mit Respekt gleichsetzen), den überraschten Blick in den Augen ihrer Peiniger genießen zu können, wenn diese - einen Moment, bevor die Kugel einschlägt - erkennen, wie sehr sie ihr Opfer unterschätzt und zu Unrecht erniedrigt hatten!

Warum mir das so nahe ist? Als Teenager war ich selbst in so einer Lage und träumte viel von so einem Szenario, um mich nach der täglichen Kür der sozialen Nadelstiche durch jene, nach deren Anerkennung und Respekt ich so zutiefst hungerte, zu erleichtern.
Vier Jahre dauerte mein Martyrium, und da ich zu jung und unreif war zu erkennen, dass es zumindest zur Hälfte mein eigenes soziales Versagen, meine eigene Schuld gewesen war, dass es so hatte kommen müssen, litt ich still und fraß alles in mich hinein. Wäre ich damals nur ein wenig mutiger oder fatalistischer gewesen - wer weiß?
Diese Zeit ist zumindest einer der Hauptgründe dafür, warum ich bis heute allein und isoliert lebe, andere Menschen nur am Rande zu streifen vermag: Mein Vertrauen in menschliche Wärme und Gerechtigkeit wurde damals nachhaltig erschüttert bis komplett vernichtet.
Und wie es in der "Gesellschaft" so zugeht, hat meine diesbezüglichen Ansichten bis zum heutigen Tage eher bestätigt. Fazit: Ich halte nicht viel vom Menschen - und schließe mich selbst darin mit ein.
Was sind schon die paar Momente, da er fähig ist, seelische Größe, soziale Aufrichtigkeit und Liebe zu zeigen, gegen all die sonstige Zeit, gefüllt mit Shitstorms, Gerüchteküche, Karriere mit Ellbogen, Rufmord, Angeberei, Rudelbildung, Scheinmoral, usw ... - kurz: alles, was man braucht, um in der Welt voranzukommen und eine Schweinesuhle daraus zu machen, in der man sich genüßlich aalen kann! (Du merkst, wie ich dazu stehe, nicht wahr ... ?)
Tja, wir haben wohl alle an unseren Altlasten zu tragen ...


Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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