Thema: Die Dörfler
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Alt 25.05.2016, 19:55   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Ophelia!

Bittere, fast zynische SozialKritik über das biedere Landvolk, das seinen Status quo heiligt und feiert - damit sich nur ja nichts ändert an den liebgewonnenen Ritualen und Gewohnheiten, über die sie sich definieren!

Früher als Teenager habe ich sie noch alle zur Messe pilgern oder mit gesenkten Häuptern den Kreuzweg entlangbeten sehen, in Trachten und Kopftüchern, den Rosenkranz in der Hand, emotionslos und monoton - eigentlich ohne jede Hirntätigkeit (aber dabei kommt es ja genau darauf an ...) - ihre Litanei herbetend.
Ich überlegte damals immer, wieviele davon wohl wirklich gläubig durchglüht waren, und wieviele nur mitgingen, um zu sehen und gesehen zu werden - um den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu bekräftigen und gleichzeitig alles auszugrenzen, was nicht gehorsam und demütig mitlief!

Ein bitterböses Sittenbild ist dir da gelungen,wie ich es nicht besser - oder giftiger - hätte schreiben können!

Die Zeilen sind 5-hebig, mit unbetontem Auftakt, Kadenzenschema mwmw.

Ein paar Kleinigkeiten:


Vor ihren grauen Häusern stehn sie brav
und sie sind fromm und beten sonntags immer. Flüssiger: "und sind so fromm und ..."
Ein magrer Greis verlässt nicht mehr sein Zimmer
und niemand stört den selbstgerechten Schlaf.

Hoch über allem ruft ein schriller Glockenschlag "Hoch" will man instinktiv beim Anlesen betonen, daher stolpert man hier fast zwangsläufig. Altern.: "Und über allem ..." Wenn dich "Und" am Satzbeginn zu sehr stört, beende die Vorstrophe mit einem Strichpunkt. Die Zeile ist zudem 6-hebig! Streiche "schriller", dann passt es.
zur Andacht an die Kriege und alle Toten, Auch hier 6-hebig. Mach ein "die" aus dem "alle", dann passt es.
der Pfaffe nuschelt lang von zehn Geboten,
die Felder sind noch immer braun und karg.

Das Pferd, dass weint nicht wenn der Bub es schlägt, "dass" ist hier ganz falsch, und "das" wäre lyrisch unschön. "es" wäre passender. Komma nach "nicht".
doch übers Wetter hört man manche Klagen.
Drei schlichte Weiber hört man Falsches sagen,
dazu erbricht ein Hund, der viel erträgt.

Ein feistes Weib sperrt schnell die Hasen ein
und schaut voll Argwohn in die Gassen, Zeile ist nur 4-hebig. "in die engen Gassen" würde das korrigieren und gut mit der geistigen Enge dort korrelieren!
als wollt sie heut noch irgendeiner fassen,
der Vater lallt mit rotem Kopf vom Wein.

Aus vielen Stuben klingt ein übler Fremdenhass, Zeile ist 6-hebig. Streiche "vielen" oder "übler". Oder: "Aus vielen Stuben klingt der Fremdenhass,".
nur manchmal leise, oftmals noch viel schlimmer. Das "oftmals" scheint mir hier nicht korrekt zu sein. Klarer Bezug auf das "leise": "nur manchmal leise, aber dann viel schlimmer!".
Man spricht den gleichen Heimatton und immer
verschweigt der Himmel alles fern und blass. Möglich wäre ein Komma nach "alles", um eine betonende Pause anzudeuten.


Am meisten berührt hat mich die fast so nebenbei wirkende Erwähnung, dass der Hund viel erträgt: Ich bin neben einem Hof aufgewachsen und habe oft erleben müssen, wie gleichgültig die bäuerliche Natur mit dem Leben umspringt! Gibt es zu viele Kätzchen - lass die eigenen Kinder sie an die Wand werfen oder ihnen den Kragen umdehen wie bei Hühnern(selbst erlebt damals in den frühen Siebzigern, als der Bauer noch das madenverseuchte Plumpsklo auf dem Hof stehen hatte, gleich neben dem Misthaufen, auf dem dann die kleinen Kätzchenkadaver landeten - ich stand als kleiner Bub hilflos daneben und verbiss mir die Tränen!)! Gehorcht der Hund nicht oder beißt er jemanden, weil man nie Zeit hatte, ihn zu erziehen und abzurichten - einfach abknallen und es beim nächsten Hund wieder genauso falsch machen! Klappt schon irgendwann ...
Und Nutzvieh fällt bei denen eher gar nicht unter "fühlende Kreatur" ...

Sehr gern gelesen - vom Lyrischen her!

LG, eKy

PS: an alle "politisch Korrekten" und Übergutmenschen, die sich dran stoßen mögen - ich sehe solche Verse nicht als Problem, so lange man dabei nicht vergisst, dass sie nur eine Momentaufnahme eines kleinen Ausschnitts darstellen und nicht verallgemeinernd die ganze Kultur, der er angehörig ist, an sich schlecht machen wollen! Wer derlei dichtet (wie zB auch ich zuzeiten kritische Gedichte zum Stadtleben schreibe), weiß durchaus, dass das Landleben auch sehr schön und harmonisch sein kann, und dass es beieleibe nicht überall so zugeht wie im Gedicht beschrieben. Weder sollte man also so ein Werk verallgeneinern, noch ihm Verallgemeinerung unterstellen. Das nur sicherheitshalber ...
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (25.05.2016 um 20:18 Uhr)
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