Thema: Vergeblich
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Alt 11.05.2016, 13:11   #7
Jongleur
Hallig-Dichter
 
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Liebe syranie,

Herzlichen Dank für deine offene Antwort. Ich stimme eigentlich fast überall mit dir überein und picke mir nur einzelne Sätze heraus, die mich besonders interessieren.

Zitat:
Du berichtest hier so frei, das gefällt mir.
Tja, wie sonst kommt man an die Hintergründe künstlerische[QUOTE]n Schaffens? Kann vergleichen oder neue Anregungen erhalten? Jede nachhaltige Erkenntnis ist mMn mit Schmerzen erkauft.

Früher schrieben sich gegenseitg interessierte Künstlerrecht ehrliche Briefe, fühlten sich vom Briefgeheimnis beschützt. Mancher nannte derartige Korrespondenzen wichtige Inspirationsquellen...

Heute verlagert sich die Selbstbestätigung durchs Schreibens zunehmend in öffentliche Foren. Offenbaren oder nicht offenbaren, das ist hier die Frage. Als Autor schafft man mittels interessanter, unverbrauchter Details Anschaulichkeit. Warum sollte das nicht für einen Kritiker gelten? Andererseits ist die Welt auch voller böser Überraschungen... Meine Devise lautet: Schrit für Schritt und dann mal schauen.

Zitat:
Immer mehr Paare versuchen mit Hilfe der Medizin Kinder zu bekommen, die Frauen werden beim ersten Kind immer älter.
Jede (r) muß mit seinen Entscheidungen leben. Das mag nichtssagend klingen. Aber das Thema älterer "junger" Eltern ist mir in so viel Varianten begegnet, dass ich damit einen Roman füllen könnte. Kurz währt das Glück und lange das Leben ;-)

Zitat:
Humor ist auch nicht schlecht, schwarzer Humor oder Galgenhumor.
Finde ich auch! Ich habe eigentlich zu jedem Phänomen wechselnde Gefühle. Krankheit, Tod und Liebe nicht ausgenommen. Meinem Sternbild entsprechend bin ich himmelhochjauchzend zu Tode betrübt ;-) Dieses Wissen kann und will ich beim Schreiben nicht ausblenden.

Deshalb male ich am liebsten realistisch mit etwas entsättigten Farben oder eher satirisch mit schrillen. Und hier sind wir bei dem, was mich am stärksten in unserem Austausch interessiert.

Zitat:
Dieses Gedicht " Vergeblich" drückt Trauer aus und ist ein Momentzustand. Lähmender Trost kann zur Depression werden, und das ist noch eine tiefere Düsternisse. Ab da beginnt (vielleicht)die Sprachlosigkeit.
Ich fühle mich in der Tradition von Erich Kästner. Natürlich zieht mich als Autor das Unglück an. Zeigen sich hier doch die Folgen unserer Entscheidungen am krassesten. Wir können sie nicht mehr verbergen, schönreden. Ich skizziere mal einige Assoziationen zu Deinem Gedicht. <

Ein junger Mann stellt fest, dass es unfruchtbar ist. Die Welt bricht für ihn zusammen. Obwohl er eigentlich noch gar keine Kinder will. Aber plötzlich zweifelt er an seiner Männlichkeit oder gar seiner Existenzberechtigung. Zwar kennt er kinderlose Menschen, aber die erscheinen ihm plötzlich alle suspekt...
Die Fruchtbarkeit älterer Männer nimmt meistens irgendwann stark ab. Das könnte man wissen, rechtzeitig checken. Aber wieviele Männer tun das? Man müht sich mit seiner jüngeren Partnerin über viele Monate vergeblich, bis der Sex zur Qual wird...
Die Schwangerschaftsrisiken und späteren Erziehungsprobleme für ältere Mütter sind bekannt. Meistens werden sie ignoriert. Die Karriere ging immer vor. Und nun plötzlich Mutter...

Manchmal treten verdrängte Befürchtungen und deren Folgen leider ein. Als Freund oder Betroffener hab ich natürlich ehrliches Mitleid mit dem plötzlichen Häufchen Elend...
... aber als Autor kann ich den GESAMTEN Prozess und meine eigenen Erfahrungen nicht ausblenden. Wir Menschen tendieren mMn dazu, die Ursachen zu unter- und die Folgen zu überschätzen. Da wir teilweise blind für unser Handeln sind, treffen uns die unerwünschten Folgen besonders schmerzlich! Obwohl sie, bei Lichte besehn, so unspektakulär wie die erwünschten sind. Auch Kinderlose sind glücklich. Behaupte ich jetzt mal so!

Mir erscheint die pathetische BEHAUPTUNG von grenzenloser Depression oder Euphorie etwas zu ...ähm...ja...scheinheilig, oft sogar lebensfremd. Der Todkranke hofft heimlich noch auf Heilung! Der Verliebteste leidet heimlich an Eifersucht. Für mich ist eine humorlose erörtende MEINUNG über Depression oder Euphorie ...hm... das klingt jetzt hart... letztlich eine Arbeitsverweigerung des Künstlers.

Etwas ganz Anderes ist die DARSTELLUNG von Trauer oder Hochstimmung. Aber wenn man sich im Strom der Zeit weinen oder jubeln sieht... stellen sich da nicht automatisch AUCH komische Assoziationen ein? Beerdigungen beinhalten so viele komische Bilder. Der Blitz der großen Liebe kann in den tragischsten Momenten einschlagen... Ich jedenfalls liebe diese irretierende Farben und Zeilen. Denn sie zeigen mir die Grenzen unserer Wahrnehmungen.

Und da, wo (zeitbedingt) die Wahrnehmungen des Publikums enden, sollte mMn der Künstler beginnen...

Liebe Grüße (und sieh mich das alles bitte mit einem freundlichen Lächeln schreiben )

Geändert von Jongleur (11.05.2016 um 13:56 Uhr)
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