Thema: Vergeblich
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Alt 11.05.2016, 09:46   #6
juli
Gast
 
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Lieber Jongleur,


danke für deine so liebe wie erhellende Antwort.

Gerne, sehr gerne.

Ja, Kinderlosigkeit gehört aus meiner Sicht zu den Themen, wo man online irgendwie barfuß über rohe Eier läuft...

Kinderlosigkeit ist in der Gesellschaft ein Thema. Immer mehr Paare versuchen mit Hilfe der Medizin Kinder zu bekommen, die Frauen werden beim ersten Kind immer älter. Es wird viel geschwiegen, und die Paare versuchen oft ihre Kinderlosigkeit auch vor Freunden geheim zu halten. Ich habe mein Sonett in "ich Form" geschrieben,( es stimmt es nimmt mehr mit, aber ich bin nicht frei von Emotionen) und du hast Recht, das Thema ist wie "barfuß auf rohen Eiern".

....wobei eben auch hier die Frage ist, wie weit man als Autor und Feedbacker "Mitgefühl" fasst. Wie reagiert man am klügsten, wenn ein naher Mensch ein schlimme Diagnose erhält. Zuviel Bedauern erhöht unnötig dessen Leidensdruck, zuwenig aber auch.

Klugheit wird nicht immer mit dem Löffel gefressen, ich bin nicht immer klug, bei mir steht "wilder Engel" und ja zu viel Bedauern heilt nicht und zuwenig heißt, das man gefühllos ist, es ist ein Grad auf der Rasierklinge.

Also wenn ich von mir ausgehe, dann lösen alle schockierende Mitteilungen in mir zunächst Panik aus. Ich fühle mich wie ein Tier in einem Käfig, das verzweifelt Fluchtausgänge sucht. Aber in der Panik laufe ich natürlich an allen vorbei. Da ich das weiß, verdränge ich das Problem, bis ich einige heftige Spaziergänge im Grünen hinter mir und zwei, drei Nächte geschlafen habe. Danach hat sich noch jede Panik ein klein wenig beruhigt...

Du berichtest hier so frei, das gefällt mir. Es ist immer gut nach einer schokierenden Nachricht eine Runde um den Block zu gehen, oder sich die Natur anzuschauen, mindestens eine Nacht drüber schlafen, eine Freundin aufsuchen und über alles reden...Ja das ist auch mein Rezept. Ich bin ruhig, obwohl da "wilder "Engel" steht.

... und mein Schöpfergeist darf wieder ran. Nicht dass ich ihm in dieser Phase übertrieben vertraue, aber dennoch: nichts strömt mehr Zuversicht aus als die Suche nach Lösungen. Deshalb nehme ich als nächstes täglich eine sich steigernde "Dosis Arbeit" gegen die hellhörige Panik. Gerade so viel, dass ich den Eindruck habe, es geht voran. Meldet sich die die Panik, will ich sagen können: "Ruhig Brauner, ich arbeite ja dran."

.....Du bist ein nachdenklicher Typ, Lösungen sind immer besser als Verzweiflung und Wut.Auch da bin ich auf deiner Welle. Humor ist auch nicht schlecht, schwarzer Humor oder Galgenhumor.

Und zu dieser Therapie zähle ich auch die meisten meiner unveröffentlichten Gedichte! Oft vermische ich hier meine speziellen Erfahrungen mit einer Angst und ihrer Besänftigung. Denn es ist seltsam: Jede Krisensituation taucht meine innere und äußere Welt regelmäßig in ungewöhnlich klares Licht und scharfe Konturen. Vielleicht ist das der Grund, warum sich junge Dichter hauptsächlich vom Unglück inspiriert fühlen.

...herrje, ich gestehe, ich veröffentliche auch Gedichte, die spontan kommen, mit der Zeit habe ich gelernt, sie zu verfeinern, Synonyme zu suchen, den Klang zu beachten. Metrik versuche ich immer, manchmal verrutscht sie. Anscheinend bin ich im Herzen jung geblieben! Unglück inspiriert mich immer noch! Es ist eine Triebfeder der Kreativität, und manchmal kann man sich dinne suhlen. Ein Gedicht im Unglück zu schreiben bedeutet, Worte zu finden, die Trauer, Kümmernisse auszudücken.


Ich allerdings bin vorsichtiger geworden. Ich kenne kein Unglück mehr ohne Glück.. und kein Glück ohne Unglück. Deshalb wandern meine Krisentexte meistens in die allgemeine Stoffsammlung und tauchen abgespeckt erst wieder in Texte auf, an denen ich irgendwann später mal entspannt mehrere Tage oder Wochen arbeite.


Ja es gibt kein Unglück ohne Glück und umgekehrt! Ich denke der Mensch hat Körper, Geist und Seele und das Leben ist es das in den Einklang zu bringen. Der Moment zählt, und der Weg ist das Ziel.

Diese entspannten Texte sind es, die ich auch noch nach Jahren gern lese, weil ....hm... naja.. weil ich mich vielleicht SO am liebsten sehe...

Jeder Jeck ist anders und das ist auch gut so! So wird das Leben bunter. Ich bin gespannt auf deine Gedichte!

Lg

Ehrlich gesagt: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Mensch in seiner Ohnmacht selbstmitleidige Lyrik braucht, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Selbstmitleid? Lähmender Trost? Was und wem nützt es, wenn wir radikal darstellen, dass wir soeben (mal wieder) endgültig resignieren?


Dieses Gedicht " Vergeblich" drückt Trauer aus und ist ein Momentzustand. Lähmender Trost kann zur Depression werden, und das ist noch eine tiefere Düsternisse. Ab da beginnt (vielleicht)die Sprachlosigkeit. Die vielen Smileys finde ich klasse! Ich habe schon des öfteren die Mengenzahl überschritten.

So viel Kommentar habe ich lange nicht mehr in den Orbit gejagt. Ich bedanke mich für deine intensiven Worte. Der Austausch hat mich herausgefordert und es hat auch Spaß gemacht.

Ich kann immer noch nicht die Zitierenfunktion mehrfach bedienen, daher "Blau" für dich, und "Schwarz" für mich.

Ich wünsche einen schönen Tag liebe Grüße sy


Geändert von juli (11.05.2016 um 13:03 Uhr)
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