Liebe syranie,
danke für deine so liebe wie erhellende Antwort.
Ja, Kinderlosigkeit gehört aus meiner Sicht zu den Themen, wo man online irgendwie barfuß über rohe Eier läuft...
....wobei eben auch hier die Frage ist, wie weit man als Autor und Feedbacker "Mitgefühl" fasst. Wie reagiert man am klügsten, wenn ein naher Mensch ein schlimme Diagnose erhält. Zuviel Bedauern erhöht unnötig dessen Leidensdruck, zuwenig aber auch.
Also wenn ich von mir ausgehe, dann lösen alle schockierende Mitteilungen in mir zunächst Panik aus. Ich fühle mich wie ein Tier in einem Käfig, das verzweifelt Fluchtausgänge sucht. Aber in der Panik laufe ich natürlich an allen vorbei. Da ich das weiß, verdränge ich das Problem, bis ich einige heftige Spaziergänge im Grünen hinter mir und zwei, drei Nächte geschlafen habe. Danach hat sich noch jede Panik ein klein wenig beruhigt...
... und mein Schöpfergeist darf wieder ran. Nicht dass ich ihm in dieser Phase übertrieben vertraue, aber dennoch: nichts strömt mehr Zuversicht aus als die Suche nach Lösungen. Deshalb nehme ich als nächstes täglich eine sich steigernde "Dosis Arbeit" gegen die hellhörige Panik. Gerade so viel, dass ich den Eindruck habe, es geht voran. Meldet sich die die Panik, will ich sagen können: "Ruhig Brauner, ich arbeite ja dran."
Und zu dieser Therapie zähle ich auch die meisten meiner unveröffentlichten Gedichte! Oft vermische ich hier meine speziellen Erfahrungen mit einer Angst und ihrer Besänftigung. Denn es ist seltsam: Jede Krisensituation taucht meine innere und äußere Welt regelmäßig in ungewöhnlich klares Licht und scharfe Konturen. Vielleicht ist das der Grund, warum sich junge Dichter hauptsächlich vom Unglück inspiriert fühlen.
Ich allerdings bin vorsichtiger geworden. Ich kenne kein Unglück mehr ohne Glück.. und kein Glück ohne Unglück. Deshalb wandern meine Krisentexte meistens in die allgemeine Stoffsammlung und tauchen abgespeckt erst wieder in Texte auf, an denen ich irgendwann später mal entspannt mehrere Tage oder Wochen arbeite.
Diese entspannten Texte sind es, die ich auch noch nach Jahren gern lese, weil ....hm... naja.. weil ich mich vielleicht SO am liebsten sehe...
Lg
Ehrlich gesagt: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Mensch in seiner Ohnmacht selbstmitleidige Lyrik braucht, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Selbstmitleid? Lähmender Trost? Was und wem nützt es, wenn wir radikal darstellen, dass wir soeben (mal wieder) endgültig resignieren?



