Hi, Agneta!
Wolo ergeht sich gern in Ausschließlichkeiten. Seine Logik ist unbestechlich, aber erbarmungslos. Seine schwarz-weiße Sicht ist mir unangenehm, und die herausfordernde Art der Präsentation derselben, die selten Verständigung oder Lösungen anbietet, scheinbar nur immer provozieren oder eine Reaktion erzwingen will, ebenso.
Natürlich wollte ich mit meinem ersten Kommi kein Dogma installieren! Ich war aber faul und wollte mich "kurz" fassen.
Fakt ist:
Im deutschen Sonett gab es bis zum 20. Jahrhundert recht strenge Regeln. Was die Engländer oder Franzosen in ihrer Sprache machen, steht hier ohnehin nicht zur Debatte, die entsprechenden Exempel sind nicht im Kontext!
Besagte Regeln, hauptsächlich aus dem Barock, wollten, dass Sonette IMMER 2 Quartette und 2 Terzette, unbetonte Auftakte und weibliche Kadenzen haben sollten, 5 Heber pro Zeile, umarmenden Reim in den Quartetten, nur 2 Reime in den Quartetten, die Terzette mit 2 oder 3 Reimen,aber nie mit 2 sich reimenden Zeilen endend, das galt als unschön. Das erste Quartett sollte eine These aufstellen, das zweite eine Antithese dazu, die Terzette sollten eine Synthese schaffen, die den Widerspruch relativiert oder auflöst.
Seit dem 20. Jhdt. allerdings haben sich diese engen Grenzen ständig erweitert, verwischten und wurden schließlich rein optional. Puristen bemängeln dies und schreiben weiter in starren Sprachkorsetts, die ganz nach Begabungslage einigermaßen rund laufen oder eben harte, knöcherne Gerüste bleiben - Hauptsache, die "Regeln" stimmen - Sprachpharisäer eben!
Ich wollte eigentlich mit meinem ersten Kommi bloß anmerken, dass manche Regeln immer noch
mehrheitlich befolgt werden, und die umarmenden Reime in den Quartetten sind eine davon. Natürlich ist es keine Pflicht mehr - heute ist ALLES erlaubt - aber ab
wann ist es dann eben KEIN Sonett mehr?
Ich zB. ignoriere zumeist folgende Regeln: Einteilung These-Antithese-Synthese, nur 2 Reime in den Quartetten, keine sich reimenden Zeilen am Ende.
Seltener mache ich 4- oder 6-hebige Sonette, und sehr ab und zu sogar eins mit betonten Auftakten! Die Kadenzen sind bei mir oft rhythmisch gemischt, sehr selten rein männlich.
Man muss entscheiden, was man will: Ein starres, aber absolut regelkonformes Sprachkonstrukt, ein völlig amporphes Sprachgebilde, das nur noch der Bezeichnung des Autors nach ein Sonett ist - oder einen Mittelweg, der optimal die Möglichkeiten eines anpassungsfähigen Rahmens nutzt, ohne Sprachmelodie und -fluss hintanzustellen, denn dabei geht es im Sonett vor allem: Weiche, harmonisch klingende Sprache, die elegant eine Thematik umschmeichelt, umtänzelt, auslotet, erweitert, vertieft.
So zumindest sehe ich das. Du hast die Aufgabe prima gemeistert, und meine obige Anmerkung sollte kein Vorwurf sein, eher eine Ergänzung - deshalb sprach ich ja auch von "Kleinigkeiten".
Ich selbst halte mich nach Möglichkeit an die umarmenden Reime, denn sie wirken elegant und machen einen Großteil des allgemeinen Charakters der Sonettform aus, vor allem, wenn man dazu tendiert, gewisse andere Regeln zu ignorieren oder hintan zu stellen!

Anderen derlei vorschreiben zu wollen, weise ich allerdings weit von mir!
LG, eKy