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Alt 17.11.2015, 21:31   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Danke für deine ehrliche Meinung!

Sechs ist zu jung, das gebe ich zu, da fehlt es an mehreren Stellen. Aber neun oder zehn, da wissen die meisten schon, WAS sie da fragen, WENN sie fragen.

Und dann ist jedes Kind anders. Wie gesagt, bei mir war es so, dass ich mit 12 noch völlig "unschuldig" war und mich in der Schule unsterblich damit blamierte. Noch heute graut es mir beim Gedanken an die peinlichen und demütigenden Momente!

Für meine Eltern war das ein Tabuthema - ich hörte nicht mal von Bienchen und Blümchen. Sex existierte einfach nicht. Vielleicht darum meine so liberale Einstellung zu diesem Thema - eine Art Gegenreaktion zur Unfähigkeit meiner Eltern, darüber zu sprechen, was mir viel Pein bereitet hat. Unter anderem führte es dazu, dass ich "lernte", dass Sex grundsätzlich etwas Schmutziges, Verwerfliches sein müsse, da die Erwachsenen sich so verschämt weigerten, darüber zu sprechen. Es dauerte lang, sich davon zu lösen! Als junger Mann war ich ein verklemmter und verschüchterter Sonderling, der beim Gedanken an Sex immer ein schlechtes Gewissen hatte, weil schon die Vorstellung davon die "Reinheit" und "Unschuld" der Frau verletzte. Ich konnte von mir als Mann nur als verderbter Verführer denken, der sich und seine schmutzige Fantasie Frauen gegen ihren Willen aufdrängte! Denn in meiner Vorstellung wollten Frauen im Grunde keinen Sex - in diesem Punkt erging es mir ähnlich wie dir als Sechsjährigem. Ich dachte aber sogar noch als junger Erwachsener - zumindest im Unterbewussten - Männer würden Frauen mit sexuellem Verlangen verletzen und beschmutzen!
Erst Jahre später - so mit Mitte 20 - gelang es mir, mich bewusst davon zu verabschieden. Mit zunehmendem Alter allerdings bemerke ich, dass sich diese kindliche Fehlkonditionierung mit nachlassendem Sexualtrieb wieder verstärkt in meine Vorstellungswelt einschleicht. Solche Prägungen wird man wohl nie ganz los!

Ich schrieb dieses Gedicht oben auch, um einem neueren Ärger Luft zu machen. Im Sommer war ich bei jemandem zu Gast, deren Kinder mir diese Frage stellten. Erst sagte ich, dass ich darüber nicht reden wolle, weil es mir nicht zustehe, aber die beiden, (fast) neun und zehn Jahre alt, fragten wieder, vor allem bei einem langen ermüdenden Ausflug während der Autofahrt. Die Mutter fuhr und sagte nichts dazu, die ganze Zeit nicht. Sie hätte es jederzeit tun können, um mir aus der Situation herauszuhelfen, aber sie tat nichts - außer offenbar heimlich immer wütender zu werden!

Ich - abgespannt und abgelenkt - missdeutete ihr Schweigen schließlich als schweigendes Einverständnis und gab - ausweichende - Antworten, ohne wirklich etwas zu verraten. Ich verwies schließlich auf Wikipedia, um etwas darüber zu lernen - da schlug sie mich plötzlich unvermittelt von der Seite und blaffte mich an, ich solle endlich still sein!
Das hat mich überrascht, gab es doch davor keinerlei Anzeichen für ihre Erbosung - zumindest keine, die ich hätte deuten können.
Danach dachte ich, damit wäre die Sache erledigt. Ich hätte mich verstiegen und sie hatte mich dafür geschlagen - wir wären quitt.

Nichts davon! Sie sagte auch danach nichts mehr zu der Sache, tat die restliche Zeit möglichst so, als ob nichts wäre, gab sich allerdings kühl und kurz angebunden. Als ich am nächsten Tag mit einer Nierenkolik ins Krankenhaus musste, besuchte sie mich nicht, rief nicht einmal an, was mich sehr kränkte.
Und als ich wieder zu Hause war: Funkstille! Sie ignorierte alle Versuche, das Problem zu definieren oder zu klären. Offenbar hochgradig verklemmt bezüglich dieser Thematik, hatte sie mich erst beim ursächlichen Gespräch im Stich gelassen und danach in ihrem Herzen hingerichtet, ohne Verhandlung, ohne Chance auf Erklärung, Rechtfertigung oder Entschuldigung.

Diese Art, damit umzugehen, hat mich sehr verletzt und verärgert, nicht zuletzt deshalb, weil ich diese Frau wirklich gern gehabt habe! Darum machte ich mir mit obigen Zeilen Luft. Natürlich verstehe ich ihre Beweggründe: Sie dachte ihre Kinder schützen zu müssen vor diesem bösen Freigeist, der ihnen schon mehr zutraute als sie wahrhaben wollte!
Dennoch - ihre Reaktion war höchst verletzend, zumal ich es nicht böse gemeint hatte! Zuerst verstand ich ja nicht einmal, wo das Problem lag! Ich dachte erst, dass sie mich in die Wüste geschickt hatte, läge vielleicht auch daran, dass ich die Kinder während derselben unseligen Fahrt zur Ordnung gerufen hatte, weil sie so laut und ausdauernd herumgezankt hatten - ich ertrug es einfach nicht mehr und wurde kurz mal laut, wie ich es als Lehrer gewohnt bin. Vielleicht zuviel für eine romantisch durchglühte Mutter mit überaktivem Beschützerinstinkt.

Wie auch immer - vergossene Milch! Ich wollte nur, dass du verstehst, wie es zu diesem Gedicht kam.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (18.11.2015 um 01:01 Uhr)
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