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Alt 22.10.2015, 13:32   #2
Marzipania
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Auf solchen "Kram" stehe ich natürlich!
Nur wäre es vermutlich einfacher gewesen, zunächst einen deutschen (oder schwyzerdeutschen) Text durchzuarbeiten. Ich glaube, Thomas steuert auch in diese Richtung ...
Gut eignet sich Schiller, der relativ leicht zu verstehen ist und sich durchaus metrische Freiheiten erlaubt hat.
Bei Shakespeare (oder den Shakespearen - keena weeß wat Jenaues ...) gibt es die Schwierigkeit, dass der Sprachgebrauch seiner Zeit heute nicht mehr üblich ist. Bei mir kommt hinzu, dass ich Englisch gut lesen, aber weniger gut sprechen kann. Und falls doch, mit hessischer Dialektfärbung. Erich Kykal würde ich ein Wissen um die alte Aussprache jedoch zutrauen. -
Aber auch ich kann tierisch auftrumpfen:
Shakespeare ist ja durch ein sehr umfangreiches Werk bekanntgeworden und geblieben, das in Blankversen (fünfhebigen Jamben) verfasst worden ist. Dieses System hat er auf seine nicht minder berühmten Sonette übertragen. Bitte klickt mal diesen Link an
http://www.freiereferate.de/englisch...-sonettanalyse
der ist wirklich weiterführend, kurz und informativ.

Deine Frage, Wolo, nach dem Stellenwert des Metrums, hast du mit deinem schönen und passenden Bild bereits weitgehend selber beantwortet.
Pseudointellektuell heißt das: Der Vers ist konkret, das Metrum abstrakt.
Will sagen, dass Metrum ist der Bauplan, der einem Gedicht zugrunde liegt.

In der Lyrik haben sich recht unterschiedliche Versprinzipien herausgebildet:
- silbenzählend
- quantitierend (Metrum wird durch die Kürze bzw. Länge der Silben bestimmt ( wie in der antiken griechischen und römischen Dichtung)
-akzentuierend (Unterscheidung von Hebungen und Senkungen wie bei uns daheim - vom Barock bis heute)

Geht es dir gar um die WELTherrschaft, geht Vers vor Metrum.

Aber: Kein geübter Dichter wird ohne Not (s)einen Bauplan verwerfen, es sei denn es gibt inhaltliche Gründe (Eigennamen etc.) oder metrische Gründe - wenn z. B. verschiedene Geschwindigkeiten ausgedrückt werden sollen.
Immer aber gibt es erkennbare Regelmäßigkeiten, selbst im Vers libre.

Norm und Abweichung
Zitat:
Ein Versmaß ist ein Muster. Es bildet in dem Text, für den es gewählt wird, eine Norm; es tritt dort mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf. Ansonsten könnte es keine Norm bilden und würde nicht als Muster erkennbar sein.
Allerdings schließen regelhafte Muster Abweichungen nicht aus. Einzelne Verse können länger oder kürzer sein als das Muster es vorsieht.
Grundkurs Lyrik, 2013 (Germanistik)
Immer, aber wirklich immer, sollte meiner Meinung nach ein Grund für Abweichungen erkennbar sein.
Der kann natürlich auch im Experimentellen liegen.

Ich hoffe, dass ich ein wenig Nützliches zum Faden beitragen konnte und
grüße freundlich nach allen Seiten
Marcy

Geändert von Marzipania (22.10.2015 um 13:38 Uhr)
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