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Alt 27.05.2015, 08:40   #3
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Registriert seit: 24.04.2011
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Lieber Walter,

dein Sonett ist nicht gut. Du attackierst eine Sichtweise, die ich auch nicht richtig finde, offenbarst aber gleichzeitig, dass du das Problem selbst nicht mit ausreichender Tief angehst. Das macht auf mich einen überheblichen Eindruck.

Wenn man von den Negativ-Aussagen über gewisse Leute absieht, enthält dein Gedicht nur vier inhaltlich relevante Zeilen:
"Die Sprache ist ein Werkstoff, der sich ändert,
Und Dichtung ist nichts Festes, das erstarrt.
Sie ist ein Werkzeug, das die Bilder rendert:
Was weich ist, wirkt schon morgen richtig hart."

Die Zeilen "Und Dichtung ist nichts Festes, das erstarrt." und "Was weich ist, wirkt schon morgen richtig hart." sind recht allgemein und inhaltslos. Aber sie stimmen wenigsten fast - wenn man der zweiten die falsche Allgemeinheit nimmt, indem man das "richtig" durch "manchmal" ersetzt.

Die beiden anderen Zeilen sind mehr als dürftig. "Die Sprache ist ein Werkstoff" Das ist ungenau. Der Dichter schafft und bildet sie Sprache, das ist mehr als nur "Werkstoff" sein.

"Sie ist ein Werkzeug, das die Bilder rendert" Das ist falsch. Du scheinst eine recht materialistisches Bild von Sprach zu lieben, erst "Werkstoff", jetzt "Werkzeug". Auf alle Fällt ist das zu mechanisch, denn "rendern" von bestehenden Bildern (ich gehe davon aus, dass du das Wort nicht nur des Reimes wegen, sondern wegen nutzt, sondern tatsächlich bewusst das ausdrückst, was man in der IT darunter verstehet) ist gerade nicht poetisch, sondern Bilder und sprachlicher Ausdruck sind untrennbar verbunden und entstehen gemeinsam, das wird auch sofort klar, wenn man für "Bilder" das eigentlich richtige Wort "Metapher" setzt.

Es gibt in der Tat etwas, was große Werke der Vergangenheit modern macht, modern, weil sie zeitlos sind. Dieses zeitlos Gute ist das Wesentliche für jeden, der ernsthaft Neues gestalten will. Wenn man sich bemüht, dieses Gute zu finden und zu erkennen, dann wird man etwas demütiger, als es in deinem Gedicht zum Ausdruck kommt - denke ich.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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