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Alt 05.10.2014, 17:06   #7
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
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Hallo Nachteule,

tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Deine Ode gefällt mir sprachlich recht gut. Du verwendest eine natürliche, unverschnörkelte Sprache, durch die ich mich als Leserin eingeladen fühle und mich gerne auf das Beschriebene einlasse. Die vielen konkreten Beispiele vermitteln eine Lebendigkeit, die Spaß macht und trotz der Länge keine Langeweile aufkommen lässt.

Formal gehe ich genauer ins Detail und zerlege die Verse mal in Sinnfüße:

Ach, Natur, bestimmst du doch unser aller
X / xX | xXxx Xx Xx
Leben, deine Wälder und Seen, Berge,
Xx | Xx XxxXx | Xx
Auch der Ozean und der weite Himmel,
X xXxX / xxXx Xx
Flüsse, die Tiere!
Xx | xXx


Gelungener Einstieg! Mit der Positionierung zwischen zwei Zäsuren gelingt es Dir, das jambische Themenwort "Natur" wirkungsvoll zu präsentieren. Nach der Doppelsenkung gehst Du dann ins tröchäische Grundmuster über, das auch noch in V2 vorherscht, aber hier durch einen Adoneus unterbrochen und angenehm aufgelockert wird.

Ozean in V3 schwächelt ein bisschen in der Endung, -an lässt sich aber mit Wohlwollen betont lesen. Schade nur um die schöne doppelt unbetonte Weiterführung des Verses. Nach einer sehr deutlichen Hebung mit Zäsur würde sie noch besser zur Geltung kommen. Etwas schade finde ich auch den zerschnittenen Adoneus in V4. Es ist aber eher eine persönliche Vorliebe von mir, den möglichst als Einheit zu erhalten, und kein Formfehler.

Mit Zäsuren und Handhabung der Doppelsenkung gehst Du insgesamt recht abwechslungsreich vor. Die Senkungen sind allesamt recht leichtfüßig, was eigentlich odenuntypisch ist, Hebungen manchmal sogar auch, aber die dadurch vermittelte Leichtigkeit tut dem Text für meinen Geschmack gut und ich mag das hier.



Meine Seele fliegt durch die stillen Lüfte
Xx Xx X | xxXx Xx
Und genießt die Bilder aus meinen Welten,
X xX xXx | xXx Xx
Freut sich, welche Düfte wir riechen dürfen,
Xx | Xx Xx xXx Xx
Hört die Geräusche.
X xxXx


Hier hast Du überwiegend Trochäenwörter verwendet. Das könnte man auch weniger wohlwollend x-en, z.B. V3:

Xx | Xx Xxx Xx Xx

Ein Schwärmer könnte aber auch einen Adoneus hineinlesen:

Xx | Xx XxxXx Xx

Was ich damit sagen will? Ich würde versuchen, solche Zweifeslsfälle durch eine geschicktere Wortwahl möglichst zu vermeiden. Dafür bietet sich ab und zu ein Dreisilber oder eine klarer definierte Dreiergruppe an. Mit der X-erei soll es wegen der besseren Lesbarkeit jetzt aber genug sein.

Dass Du nicht häufiger zeilenübergreifend gearbeitet hast, stört mich gar nicht in der Wahrnehmung Deiner Strophen als Ode. Vermutlich würde mehr Enjambement Dich aber flexibler machen. Ich denke, das war die ursprüngliche Idee dahinter. Es kann aber auch sein, dass das vermeintliche Manko durch die glaubhaft vermittelte Begeisterung, die nicht ins Überschwängliche geht, und eine gewisse "Feierlichkeit" zum Ausdruck bringt, kompensiert wird.

Das von einigen bemängelte "wir" in S2V3 finde ich sogar besser als die Ich-Form, weil es so schön das Zusammenspiel von Körper und Seele wiedergibt. Klar, meine Lesart halt.

Jetzt zu den Blütengerüchen. Darüber habe ich mir lange Gedanken gemacht. Ehrlich gesagt, begrüße ich es sehr, wenn endlich mal jemand den Mut hat, ein sonst eher negativ konnotiertes Wort einer anderen Bestimmung zuzuführen. Das Wort "Blumengerüche" steht mit Sicherheit noch nicht in vielen Gedichten. Geruch ist im Grunde kein abwertendes, sondern eigentlich neutrales Wort mit einem viel größeren Bedeutungsspektrum als "Duft" oder "Gestank". Hier kann ich mir als Leserin so viel vorstellen. Ich würde sagen, die allermeisten Gerüche werden von uns weder als gut noch als schlecht gewertet. Sie sind eben charakteristisch für die Substanz.

Die Geamtheit aller Blumengerüche gleichzeitig wahrnehmen zu dürfen, ist eine wunderbar ganzheitliche Vorstellung in die ich mich sehr gerne hineinbegebe. Pflanzengerüche wären noch umfassender. DAS wäre hier mein Wort, wenn es mein Gedicht wäre. Wenn Du es aber lieber schön und etwas angepasster haben möchtest, könnte ich Dir noch Blütenaromen anbieten.

Nicht, dass ich jetzt schon annähernd alles gesagt habe, was ich zu Deiner Ode sagen könnte. Ich setze hier erstmal eine Zäsur, weil Sid auch noch auf einen Kommentar wartet, komme aber gerne nochmal wieder.

Liebe Grüße
Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (05.10.2014 um 18:04 Uhr)
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