Thema: Tränen I
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Alt 09.09.2014, 17:05   #8
Claudi
Senf-Ei
 
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Hallo Dana,

die ersten beiden Strophen laufen sehr schön natürlich runter, genau wie es dem befreiten Redefluss eines Menschen entspricht, der losgelassen hat. Die Enjambements sind Dir wirklich gut gelungen. Um hier die innere Logik herzustellen, wäre es leicht, in S2 einfach in den Präsens zu wechseln. Etwa so (nicht unbedingt wörtlich, nur sinngemäß als grobes Gerüst):


Ich weiß nicht mehr wie Tränen schmecken,
auch nicht den Tag, als ich sie mir
verboten hab, um zu verstecken,
dass ich im Grunde gar nicht hier
geblieben bin, es aber schaffe,
mich anzupassen und gewinn
nur einen Aufschub, doch ich raffe
jetzt, dass ich sein darf, wie ich bin.


Hier wäre das Gedicht jetzt für mich zu Ende. Das LI hat begriffen und kann beginnen, seine Erkenntnis umzusetzen. Du könntest es jetzt loslassen und dem Kerngedanken damit mehr Weite geben. Ich weiß, manchmal kann man nicht zum Ende finden. Mit dem Einleitungsvers

Zitat:
Ich weiß nicht mehr wie Tränen schmecken,
hast Du den Erfahrungsraum des LI ja auf die Erkenntnisphase begrenzt. Natürlich kann man davon ausgehen, dass die praktische Umsetzung erst wieder Schritt für Schritt erlernt werden muss. Eine wie in S3 beschriebene Übergangsphase wäre sicherlich interessanter Stoff für ein anderes Gedicht. Ein denkbarer Schluss für dieses Gedicht wäre vielleicht ein erster spontaner Tränenausbruch im Hier und Jetzt. Das ist nicht leicht zu gestalten.


S3 fällt stilistisch ab und wirkt, obwohl das LI hier eher freier sprechen sollte als zuvor, etwas gezwungen. Auch liegt ein Widerspruch in V1, denn Loslassen ist das glatte Gegenteil von Erringen. Wie gesagt, ich würde S3 weglassen. Oder aber, wenn Du meinst, da sollte noch eine Strophe folgen, nochmal neu ansetzen. Wenn Du den "Reifungsprozess" zu diesem Moment der Klarheit noch genauer beschreiben möchtest, könntest Du das vielleicht besser innerhalb des langen Satzes einschieben, so dass S2V4 als Fazit stehenbliebe. Was meinst Du?


Schön, dass Robert das Gedicht nochmal hervorgekramt hat. Es war mir eine Freude, mich damit zu beschäftigen, und ich war gerne dabei.

Liebe Grüße
Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (10.09.2014 um 15:11 Uhr)
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