Hallo AZ,
ein Pleonasmus als Titel, das könnte interessant werden, denn von einem Gedicht erhoffe ich mir mehr als stilistisch auffällige rhetorische Mittel, die keinen weiteren Informationsgewinn versprechen.
Wie haben hier zunächst die Jahreszeiten und das Interessante daran ist, dass wir im Herbst starten und enden.
Die ersten vier Strophen beschreiben ihre jeweilige Jahreszeit mit typischen Bildern, die Reihenfolge ist chronologisch.
Gehen wir die mal kurz durch:
S1: Blätter, Blätterregen, es wird langsam ungemütlich, sie wirbeln durch die Straßen, das Herbstbild ist wunderbar.
S2: Auch das Winterbild ist stimmig, doch hier kommt der Mensch ins Spiel und da wird es etwas schwammig. Er verrannte sich?
An dieser Stelle wirft das Fragen auf, doch wir sind ja noch nicht am Ende.
S3: Das Frühlingsbild mit der welken Blume ist sehr lyrisch und bekommt im zweiten Teil einen philosophischen Anstrich.
Da hätte ich übrigens eine Idee, wie man die ersten beiden Zeilen etwas eleganter gestalten könnte, denn der etwas umständliche Genitiv in der ersten Zeile und das sperrige "in dem Schaft" der zweiten schmälern eine wenig das Bild dieser Strophe und nebenbei würde das "s" des Frühlings auch verschwinden:
"Die welke Blume hoffnungsvollen Frühlings
ist schon als Knospe in dem Schaft verblüht."
Der welken Blume hoffnungsvoller Frühling
ist schon im Knospenkleid am Schaft verblüht.
Diese ist zudem mein heimlicher Favorit der Jahreszeitenstrophen.
S4: Die Sommerstrophe behandelt den Sommer selbst nur sehr kurz, denn wie sie selbst aussagt, sitzt hier der Herbst schon mit am Tisch, dafür ist mit dem Begriff "Leben" ein sehr umfassender Umstand beschrieben, der Sommer meines Erachtens hinreichend kennzeichnet.
In Zeile 2 ist die Metrik anfangs ein wenig aus der Reihe:
"Der Wind blättert im grau melierten Buch"
Ich kann "blättert" unmöglich im hier phonetisch verdrehten Sinne eines Jambus "xX" lesen.
An sich finde ich diese Zeile wunderbar, denn dieses grau melierte Buch passt hervorragend ins Gesamtbild und ich wüsste spontan auch keine Lösung, ohne es das "grau meliert" dabei zu verlieren. Da müsstest du selbst noch einmal drüber nachsinnen.
Bisher haben wir einen Pleonasmus und vier stimmige Jahreszeitstrophen. Der Eindruck ist gut, aber es bleiben noch Fragen offen und jetzt muss noch etwas kommen, um mehr als ein philosophisch angehauchtes und beschreibendes Stimmungsbild entstehen zu lassen.
S5: Aha, es geht um einen Kreislauf. Zwar ist die Welt einer stetigen Veränderung unterworfen, doch im Grunde bleibt alles beim Alten.
Ein Mensch stirbt, damit wird sein Körper zur Leiche. Zur "toten Leiche" wird er erst dann, wenn er in dem grau melierten Buch verschwindet, in dem der Wind rastlos blättert. Seite um Seite wird umgeschlagen und so verschwindet alles in diesem Buch.
Wenn das geschieht, ist es wie ein Stillstand der Welt, weil nichts mehr geschieht. Es hat einfach aufgehört zu existieren.
Zumindest diese ganz spezielle und individuelle Welt.
Sonst müsste ich nämlich diesem Stillstand aus philosophischer Sicht widersprechen, denn nichts ist im Stillstand begriffen.
Ausnahme: Das Nichtsein
Fazit:
Wie schon weiter oben erwähnt, ist dieser Text nicht nur ein stimmungsvolles Bild der Jahreszeiten, sondern er beschreibt auch das Phänomen eines ewigen Kreislaufs, dem alles Seiende unterworfen ist.
Wenn der Wind zusammen mit dieser Welt einmal untergeht, dann wird sein Lied auf einer anderen Welt weiter klingen.
Und so ergeht es auch dem Leben an sich. Es wird ein anderes sein, denn die Leichen sind tot, aber sein Lied wird wieder erschallen, da bin ich mir ganz sicher.
Sehr schön. Hat Spaß gemacht, dein Gedicht mal ein wenig analysierend zu betrachten.
Gern gelesen und kommentiert...
Liebe Grüße
Bis bald
Falderwald