Das tote Haus
Die Pforte kreischt wie einst in fernen Tagen,
die alten Bäume schauen vorwurfsvoll herab.
Wie gerne würde ich „Verzeihung“ sagen,
doch längst vergangen ist der armen Eltern Grab.
Den schmalen Weg bedecken grüne Ranken,
ist es tatsächlich schon so viele Jahre her?
Ich war so oft daheim in den Gedanken,
jetzt hier zu stehen, fällt mir unwahrscheinlich schwer.
Das leere Haus stiert stumpf aus seinen Fenstern,
die ohne ihre Scheiben blinde Augen sind.
Wie bleiche Totenhemden von Gespenstern,
wehn Reste von Gardinen träg im Abendwind.
Die Sonne sinkt und zeichnet finstre Schatten,
Wie damals, als die Flinte unverschlossen stand.
Ich schoss wie blind, wie auf zwei feige Ratten,
noch heut sehe ich ihr Blut an weißer Wand.
Ich knie mich nieder und kann kaum die Tränen halten,
seit heute Morgen bin ich endlich wieder frei.
Weil Stolz und Starrsinn stürmisch aufeinanderprallten,
warn mir die Folgen meines Wütens einerlei.
Was einst geschah, darf in mir niemals Ruhe geben,
ich bin verzweifelt und für immer ganz allein.
Noch einmal werd ich frevelnd meine Hand erheben -
und bald für immer, liebe Eltern, bei euch sein.
__________________
Alle meine Texte: © Sidgrani
"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
»Erich Kästner«
|