Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 16.05.2014, 18:59   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, walther!

Ein schönes Sonett mit kleinen Makeln.

Am auffälligsten sind die betont beginnenden Zeilen 3 und 4 des 2. Quartetts. Ein Sonett hat eigentlich unbetonte Zeilenauftakte, heute schreibt man aber auch Sonette mit betontem Auftakt, kein Problem. Aber mittendrin hin und her zu wechseln - da holpert's für mich leider gewaltig.
Alternativen: "In Reih und Glied sieht man sie stehn: Titanen! // Sie wollen kämpfen, und die Schreie gellen."

Sprachlich interessant und gewagt der Plural "Fragen" in S1Z4, der die Phrase "in Frage stellen" neu interpretiert. Mutig an dieser Stelle, hält man dies beim ersten Lesen doch zumeist für einen Tippfehler.

Ein logischer Fehler scheint sich nach meinem Ermessen in die letzte Zeile eingeschlichen zu haben:
Ein "Gelage" ist eine feuchtfröhliche Feier am Tisch, Essen und Trinken eben - und kein "Lager", auf dem man liegt.
So wie die Zeile nun formuliert ist, bezieht sich das "Gelage" auf die leeren Flaschen im Genitiv: "inmitten des Gelages leerer Flaschen."
Wie können leere Flaschen ein Gelage abhalten? Richtig müsste der Satz andersherum formuliert sein: "inmitten der leeren Flaschen des Gelages."
Die "leeren Flaschen" bloß in einen Dativ abzuändern, würde hier nicht viel helfen - der Satz bliebe dennoch höchst missverständlich und inversiv.
Besser wäre, das Wort "Gelage" auszutauschen: "Inmitten eines Haufens leerer Flaschen." - oder so...

Zuletzt eine stilistische Kleinigkeit: In S1Z3 und 4 kommt je ein "die die" vor - das wirkt sprachlich weniger souverän. Zumindest eins davon könnte man durch ein "welche" ersetzen.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (16.05.2014 um 19:02 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten