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Alt 14.01.2014, 14:28   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Zitat:
"ich stimme größtenteils mit deinen Ausführungen überein, gebe jedoch zu bedenken, dass manche Dinge, die einem Individuum im persönlichen Bauchgefühl als falsch(e Handlung) erschienen sind, sich im Nachhinein durchaus positiv verkehren können."

Das kann durchaus sein, aber das hängt von Umweltfaktoren ab, vom Walten des Zufalls - man könnte sagen, der Betreffende hat Schwein gehabt.
Wesentlich ist aber das Gefühl, mit dem er ursprünglich an die Sache herangegangen ist. Wusste er vorher schon, dass es falsch, gar verdreht war, und trotzte er sich diese Handlungsweise im Namen seiner "Sache" dennoch ab, so handelte er böse, egal, mit welcher Vision er sich rechtfertigen wollte, und auch egal, wie die Sache dann tatsächlich ausging!
Die Tatsache, dass sich der Wertekanon nach seiner Tat so veränderte, dass ihm seine Tat nun zum Vorteil gereicht, spricht ihn von seinem ursprünglichen Vorsatz keineswegs frei! Typisches Beispiel wäre der Terrorist, der einen Kindergarten im Namen seiner Vision in die Luft jagt und für diese verabscheuungswürdige Untat an Unschuldigen zum Tode verurteilt wird. Kurz vor der Hinrichtung gibt es eine islamistische Revolution im betreffenden Land, und plötzlich ist der Mann ein gefeierter Held der Sache, da es ohnehin nur die nicht gottgewollten Bastarde von Ungläubigen waren, die da gestorben sind. Veränderte Sichtweise, verschobener Wertekanon, der Kindermörder wird zum edlen Streiter Allahs!
Man kann sagen, der Typ hat mehr Glück gehabt, als er verdient, aber eben nur nach unserem Wertebild. Er würde es die Gerechtigkeit seines Gottes nennen und blind gegenüber dem bleiben, was er da getan hat. Müsste er auch, um sich selbst noch ertragen zu können!

Das bedeutet nicht, dass jemand, der das Böse in seinem Handeln gar nicht erst erkennt, nicht böse handelt - er merkt es eben bloß selber nicht. Das ist die tragischste Form des Bösen: Der Täter, der wirklich glaubt, etwas Gutes zu tun! Hitler zB. war mit Sicherheit überzeugt, Deutschland, Europa und der Welt einen Gefallen zu tun, als er beschloss, die Juden und alle anderen für ihn "störenden" Elemente "endzulösen". Das menschliche Unrecht und Elend bemerkte der soziopathische Egomane sicherlich nicht einmal - für ihn waren das ja auch keine Menschen. Dieser Tunnelblick aufgrund schwerwiegender Bewusstseinsdefekte führt zwangsläufig zu bösen Taten - allerdings müsste man solch einen Straftäter genau genommen - wollte man fair urteilen - für unzurechnungsfähig erklären und in eine geschlossene Anstalt einweisen, denn er konnte das Unrecht in seiner Denkungsart aufgrund seiner Defizite gar nicht ermessen.

Was den moralischen Menschen ausmacht, ist die Fähigkeit zur Empathie und damit der Möglichkeit, über sich dazuzulernen und sich zu erweitern. Der moralische Mensch lernt aus seinen Taten, besonders aus seinen bösen - und wer von uns könnte behaupten, er hätte nichts auf sich geladen?
Ab einem bestimmten Reifegrad der Persönlichkeit sollte es möglich sein, die Faktoren, die einen zu Fall brachten und verlockten, in sich zu eliminieren, um sich und anderen keinen Schaden mehr zuzufügen.
Im optimalen Falle findet der Mensch selbst zu einem Gleichgewicht. Leider gilt das nicht für alle - manche Defekte sind zu stark, zu abseitig, manche Gier oder Lust zu mächtig für einen schwachen Geist, und manche Geister sind und bleiben einfach innerlich zu kalt, um je dazuzulernen. Für solche Menschen muss es leider Gefängnisse und andere Verwahrformen geben.

Den Spruch mit den Risiken kann ich persönlich nicht nachvollziehen: Ich wähle die meinen sehr sorgfältig aus!

Die Yin/Yang-Sicht ist mir zu schwarz-weiß - m.E. haben wir viel mehr "Seiten" und unglaublich viele Abstufungen dazwischen! Manche meinen ja: Könnte ich nochmal leben, ich würde alles genauso machen! Wie doof! Abgesehen davon, dass das stinklangweilig wäre - wie wir auf eine Situation reagieren, ist von ungemein vielen äußeren wie inneren Faktoren abhängig - es könnte sich gar nicht 2mal gleich entwickeln! Schon anderes Wetter beeinflusst unsere Entscheidungen nachhaltig, unsere Laune, Stimmung, Biorhythmus, usw... Wenn wir nicht mal uns selbst unter objektiver Kontrolle haben, wie könnten wir uns anmaßen, von Planbarkeit oder Vorhersehbarkeit zu sprechen?

Nein, wir können nur unser Bestes versuchen und hoffen, dass alles gut geht! Garantien und eherne Gesetze der Ewigkeit gibt es nicht. Dem Universum ist es egal, ob wir siegen oder scheitern - das entscheiden wir nur vor uns selbst - und einander.
Der Empathische wird Rücksicht nehmen und dem soziokulturellen Kontext Genüge tun, ein weniger mitfühlender Mensch entscheidet sich vielleicht dagegen. Solange er nicht erwischt wird, kann auch er so ein glückliches und erfülltes Leben führen, vorausgesetzt, er ändert sich nicht und entwickelt womöglich plötzlich doch ein Gewissen...aber wie heißt es doch so schön: Das einzig Unveränderliche ist die Tatsache, dass sich ALLES ändert!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (14.01.2014 um 14:40 Uhr)
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