Thema: Verbitterung
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Alt 08.07.2013, 22:36   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

das ist schlicht und einfach ergreifend, man kann sich nahezu in den beschriebenen Zustand hineinversetzen.

Da liegt jemand und ist zwar scheinbar wach, aber trotzdem nicht mehr bei Bewusstsein.
Teilnahmslos geht die Zeit an ihm vorüber, nur noch die biologische Maschinerie funktioniert, er kann noch nicht sterben.

Er hat seine Kommunikationsfähigkeit verloren, ebenso seine Erinnerungen und seine kognitiven Fähigkeiten sind somit zerstört.
Es spiegeln sich keine Wünsche und Erwartungen mehr auf seinen Augen wieder.
(Eine sehr, sehr schöne Strophe, diese zweite übrigens, Kompliment.)

Da drängt sich die Frage auf, warum so jemand, der seine Persönlichkeit verloren zu haben scheint, noch auf diese Weise weiter existieren muss.
Er ist gefangen in seinem Elfenbeinturm und ein Entkommen aus diesem unmöglich.

Die Jahreszeiten ziehen unbemerkt an ihm vorüber, dieser Zustand wird für ihn zum Gefängnis und für alle anderen Beteiligten eine Last.

Fazit:

Ich denke, der Text beschreibt den Zustand einer schwer an Demenz im fortgeschrittenen Stadium erkrankten Person.
Eine tückische Krankheit, die dem Betroffenen die Persönlichkeit nimmt, aber an der er im eigentlichen Sinne nicht sterben kann.
Ein jämmerlicher Zustand für einen Menschen mit einem vorher gesunden Geist und eine Belastung und womöglich eine Gefahr für seine Umwelt, weil er noch nicht einmal mehr dazu in der Lage ist, seinen eigenen Zustand einzusehen. Er lebt in einer für ihn völlig fremden Welt, weil er einfach alles Bekannte vergessen hat.

Ein sehr traurig nachdenklich machender Text, der das Schicksal eines Betroffenen erschreckend bildhaft nachstellen konnte.
Sehr authentisch aus dieser Sicht heraus und wortgewandt.

In diesem Sinne hat mir das Gedicht gut gefallen.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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