Thema: Die Naive
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Alt 21.12.2012, 21:36   #7
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

wie schön, daß du mit deiner letzten Antwort an Dana meine ganz eigenen Überlegungen zu Text und Kommentaren bestätigt hast.

Von wegen aus der Sicht der Frau, sondern aus der betrachtenden Sicht des verzehrenden Mannes ist dieses Sonett geschrieben.

Da steht ein gereifter Dichter und betrachtet einen kleinen, fetten und schüchternen Jungen mit hellem Geist, wie ihm von einem dümmlichen Typen mit Machogehabe ein nettes Mädchen vor der Nase weggeschnappt wird und fragt sich nach dem Warum.

Tja, warum wohl?
Das Imponiergehabe, dieses erste Zeichen von noch nicht verkraftetem Erwachsenwerden, schau her Baby, ich kann dir Dinge zeigen, von denen du noch gar keine Ahnung hast, machen auf viele Mädels in einem bestimmten Alter Eindruck.
Vielleicht sieht der Typ auch noch gut aus, hat einen schönen Körper und somit die Attribute eines "Mannes" und das wirkt anziehend, weil stark und gesund.
Vielleicht wollte sie es auch einfach nur wissen und was hätte der schüchterne Intellektuelle ihr auch bieten können?
Hat er es ihr gesagt, wohl kaum, wenn er so schüchtern war.

Der Macho war also gar nicht so dumm, zumindest aus seiner Sicht, denn er hat bekommen, was er wollte.

Und sie hat auch bekommen, was sie verdiente, denn sie bevorzugte ihn ja auch.

Ein kleines, fettes und schüchternes Mädchen mit Intellekt hätte der Macho wahrscheinlich niemals angesprochen und wenn doch, hätte er sie nicht bekommen.

Ich halte es da mit Kurt Tucholsky und seinem Text Ideal und Wirklichkeit

So ist das Leben.

Trotzdem ein schönes Sonett, denn manchmal fragt man sich zu Recht, ob das Leben nicht zum größten Teil aus lauter Ungerechtigkeiten besteht.
Zumindest aus der eigenen individuellen Sicht.

Und wem ist nicht Gleiches oder Ähnliches auch schon passiert?

Dafür darf der Intellektuelle dann hinterher die "Naive" in seiner Dichtung besingen.
Das hat dann wenigstens eine Weile Bestand, nicht wahr?


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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