Lieber Erich,
danke fürs Reinschauen und den guten Ratschlag. Ich bin aber der Ansicht, dass du hier etwas verwechselst - nämlich eine schlichte Zustandsbeschreibung mit der Moralpredigt, die allerdings auch eine "Anweisung" dafür geben würde, wie man es besser macht - das wäre für mich Belehrung. Ich stelle in diesem Gedicht lediglich fest, dass es so ist. Was der Leser dann daraus macht, ist seine Sache, wenn er daraus für sich etwas entnehmen kann, finde ich das gar nicht schlecht. Wozu beschreibt man sonst einen Zustand? Die Schlussfolgerung muss er ziehen. Insofern würde ich entschieden den erhobenen Zeigefinger zurückweisen. Mein Eindruck ist viel eher, dass ich einen schwachen Punkt getroffen habe, und das schmerzt.
Ein Wort noch zur Inversion, die du als unschön empfindest. Inversionen sind nicht per se eine schlechte Sache in einem Gedicht, sie sind eine legitime Stilfigur, die dazu da ist, dass sie angewendet wird - wie jede Stilfigur. Jedenfalls habe ich das so gelernt. Man benötigt sie aus mindestens zwei Gründen: 1. um ein bestimmtes Wort an einer ungewohnten Stelle im Satzgefüge zu betonen, 2. aus reimtechnischen Gründen. Es gibt noch ein paar mehr Gründe, ich will sie nicht alle aufzählen. Das mit der Inversion geistert durch alle Foren. Wer aber von all den Bescheidwissern weiß wirklich Bescheid? Natürlich versucht man die Inversion zu vermeiden, wenn es geht, wenn es aber wie in deinem Vorschlag auf Kosten der klaren Aussage geschieht, dann bevorzuge ich eben doch die Inversion.
Lieber Erich, diesmal bin ich nicht ganz deiner Ansicht. Ich hoffe, ich bin dir damit nicht auf die Füße getreten. Wobei ein kleiner Fußtritt mitunter Wunder bewirken kann.
Lieben Gruß
Antigone
Lieber Falderwald,
zunächst gehe ich mal auf das "Wir" ein: Wie das lyrische Ich oder Du gibt es auch das lyrische "Wir". Damit wäre wohl geklärt, wer mit "wir" gemeint ist - wir alle, aber natürlich gibt es auch Leute, die sich gern separieren, weil sie sich für Wesen einer höheren Gattung halten, die mit den niederen Dingen des Lebens nichts zu schaffen haben. Akzeptiert, das ist ihr Vergnügen.
Ich will mal Punkt für Punkt deinen Kommentar abarbeiten:
Hass ist in der Tat eine negative menschliche Eigenschaft. Hass macht unfähig, rational zu handeln. Wenn ich aber die Metapher benutze "was uns doch erst zu Menschen macht", so sind Menschen gemeint, die versuchen, ohne Hass zu denken und zu handeln, eben wie Menschen, also rational - wozu gerade Menschen fähig sein müssten. Allerdings, wie alles im Leben hat auch der Hass seine zwei Seiten: Man muss hassen können, wenn man lieben will, nämlich alles das, was dem Menschsein entgegensteht. So wird ein Schuh daraus. Hier, in meinem Gedicht, aber ist blinder Hass gemeint, und ich denke, das geht aus dem Kontext eindeutig hervor.
Du hast recht, es gibt keine "Sorten Mensch", das ist eine sehr burschikose Wendung. Gemeint ist natürlich nicht eine "höhere" und eine "niedere" "Sorte Mensch", das wäre sehr reaktionär, das entspricht aber auch nicht meiner Intention, wie du dem Kontext entnehmen kannst. Gemeint sind Menschen zweier verschiedener Ansichten - wie du es nennst, Merkmale oder Eigenschaften. Ich denke, insofern können wir konform gehen. Dass es sich beim Menschen nicht um eine Ware handelt, damit stimmen wir überein, sofern wir übereinstimmen.
Dass wir täglich eine Schlacht schlagen, ist nicht nur diesem Kommentar zu entnehmen. Nun will ich niemandem hier Hass unterstellen, aber, wie es ausschaut, lässt sich eine bestimmte Portion Besserwisserei und Ignoranz nicht leugnen, das sind deine "Waffen". Gegen die mitunter schwer anzukommen ist, weil man sie mit der Vernunft nicht wirklich in Übereinstimmung bringen kann. Und es setzt sich nun mal nur so viel Vernunft durch, wie wir selbst durchsetzen (frei nach Brecht).
Dass du auf Feinde verzichten kannst, dies dir abzunehmen, fällt mir nicht leicht. Ein Feind muss nicht derjenige sein, der einen mit Kanonen und Raketen bedroht, es reicht bereits, wenn er anderer Ansicht ist als du. Das ist seine Waffe, von der auch du dich offensichtlich bedroht fühlst. Ich muss in diesem Zusammenhang nicht auf politisch-aktuelle Gegebenheiten hinweisen.
Das schale Gutsein. Hier betone ich für jeden im "Untertext", der es bis jetzt noch begriffen hat, dass es nicht um süßliche Unparteilichkeit geht, um allgemein-menschliche Güte, sondern durchaus darum, Partei für eine gute Sache zu ergreifen. Das hat nichts mit Moralisieren zu tun, sondern ist, wie ich deinem Kommentar entnehme, ein sehr wichtiger Vers, um hier etwas klarzustellen, damit ich nicht missverstanden werde.
Dass das Menschenleben geachtet werden sollte, versteht sich. Aber wird das getan? In den folgenden Versen beschreibe ich, dass genau dies nicht getan wird. Dieser Vers ist also auch eine sehr wichtige Aussage, auf die ich keinesfalls verzichten möchte.
Kriege sind keine "Ereignisse", Kriege werden von Menschen um eines bestimmten Vorteils willen gemacht, sie fallen nicht vom Himmel, sind also keine göttliche Fügung. Wie du schreibst, dass die "menschliche Existenz bzw. Gesellschaft" Kriege "mit sich brachte" - entschuldige bitte, das ist mir denn doch etwas zu versimpelt und liegt völlig im Mainstream unserer Zeit, die gerade wieder auf Kriege setzt. Wir sollen nicht wissen, wer die Kriege macht, wir sollen lediglich die Kastanien aus dem Feuer holen - das ist alles, was hinter dem "Mitsichbringen" steckt. Und dann sprichst du die verschiedenen Interessen der Menschen an, und da sind wir doch bei dem Punkt, um den es in meinem Gedicht geht. Wer hat aus welchem Grunde welche Interessen - dies kläre ich nicht in diesem Gedicht, dies herauszufinden, überlasse ich dem Leser, allerdings führe ich ich ihn im Kontext ein wenig zur Erkenntnis hin.
Der leichte Sieg ist immer der beste Sieg, einfach deshalb, weil er auch auf der eigenen Seite weniger Opfer kostet, also die eigene Schlagkraft weiterhin erhält. Jeder General ist prinzipiell an einem leichten Sieg interessiert. Nun gibt es allerdings Menschen, die kämpfen um des Kämpfens willen - lassen wir ihnen ihr Faible. Und selbstverständlich können leichte Siege auch enttäuschen, vor allem dann, wenn man dadurch verhindert ist, sich Meriten zuzulegen.
Dass dich dieser Text nicht erreichte, muss nicht nur mit dem Text zu tun haben. Denn du als Leser "arbeitest mit" an ihm durch deine Rezeption.
Wie gesagt, den erhobenen Zeigefinger weise ich zurück, der Text ist eine Zustandsbeschreibung, mehr will er nicht sein. Aber er ist natürlich zugleich und nicht ganz ungewollt eine Mahnung. Und du lässt dich nicht gern ermahnen, weil du schon alles weißt.
Was ich nach diesem Kommentar allerdings, gelinde gesagt, bezweifeln muss. Zu vieles ist dir unklar, einiges ist dir sogar neu, und nach meinem Eindruck hat deine Weltsicht unterschwellig etwas Tunnelartiges (du wirst entschuldigen, dass ich das so deutlich ausspreche), und alles das zusammen verwundert mich nicht so sehr, nachdem ich einige deiner Texte gelesen habe. Aber das ist ein anderes Thema.
Falderwald, wir beide müssen uns darüber klarwerden, dass wir aus zwei unterschiedlichen Welten kommen - wir haben nunmal zwei verschiedene Weltsichten. Und das ist der eigentliche Kern deiner Kritik. Dies nämlich nicht zu akzeptieren. Sondern vorauszusetzen, dass ich eil- und bußfertig deine Weltsicht übernehme, wie du es von anderen gewohnt bist. Dein Denkfehler.
Ich denke nicht, dass mein Text simpel ist, er ist sogar, wie ich gerade nach deinem Kommentar begreife, ein hochintellektueller Text. Ich schreibe mit klaren Worten unverblümt das auf, was ich bemerkt habe. Ja, ich weiß, der Mahner wird nirgends gern gesehen, da gibt es übrigens schon in antiker Zeit Vorbilder. Das gefällt dir nicht, du liebst es, deine Leser in einen Zustand des Wortrausches zu versetzen, du tippst die Dinge nur an - du schreibst für "Insider", für die Bildungsoberschicht, um das ganz deutlich zu sagen. Ich nicht. Das ist mir nicht erst klar geworden, als ich dein "Höhlengleichnis" gelesen habe. Womit du dich aber in einem mehrfachen Irrtum befindest: Erstens eignet sich ein Sonett nicht dazu, eine so mehrschichtige Story zu erzählen, weshalb die Geschichte als solche von dir ja auch gar nicht erzählt wurde. Zweitens war Sokrates kein Zeitgenosse des Hellenismus, in dem nur die Oberschicht, also die "Eingeweihten" Kunst genossen. Sokrates war ein Mann aus dem Volk, seine Gedanken sind klar und deutlich, und aus einer Periode, als Athen sich erst aus seinen Ursprüngen herausschälte und man seine Entwicklung noch als progressiv im Sinne geschichtlicher Entwicklung einschätzen konnte. Da war nichts von Manierismus - kurz: Ein Mann, ein Wort. Nun will ich ein Sonett generell nicht als manieristisch bezeichnen, aber es gehört einer anderen Zeit an. Wenn du wirklich hättest im griechischen Umkreis bleiben wollen, dann hättest du eine typisch griechische Gedichtform der Zeit des Sokrates benutzt. Das ist meine Kritik daran.
Ich danke dir sehr für deinen Kommentar, er hat mir Aufschluss über so einiges gegeben. Und das ist für mich der Gewinn, den ich deinem Kommentar entnehme. Danke nochmal.
Lieben Gruß
Antigone