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Alt 22.11.2012, 10:21   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Antigone,

Nur einer dieser Zwerge zog dann munter,
das Gleichnis in gereimter Form herunter,
das es, dem tiefen Sinn beraubt,
den Eindruck macht, dass man
nun doch etwas zu wissen glaubt.

Liebe Grüße
Thomas


Platon Politeia

Ende des 6. Buches

„...Doch meine Lieben, die Frage nach dem Wesen des Guten wollen wir jetzt beiseite lassen. Denn es scheint mir im gegenwärtigen Anlauf zu viel, auch nur bis zu meiner bloßen Meinung vorzudringen. Aber einen Sproß des Guten, der ihm sehr ähnlich ist, will ich euch beschreiben, wenn es euch lieb ist...“

Mit diesen Worten beginnt Sokrates das „Sonnengleichnis“, welches dem Höhlengleichnis am Anfang des 7. Buches unmittelbar vorausgeht.

„Wir sprechen doch von vielen Einzeldingen, die schön oder gut sind oder sonst von jederlei Art, und unterscheiden die auch in unserer Rede.“
„Ja!“
„Und ebenso reden wir von dem Schönen und Guten an sich, und so setzen wir bei allem andern, wo wir Einzeldinge annehmen, eine einzige Idee fpr jedes an und bezeichen die Dinge nach ihrer Idee.“
„So ist es!“
„Die Einzeldinge kann man sehen, aber nicht denken, die Ideen jedoch denken, aber nicht sehen.“
„Richtig!“
„Womit sehen wir nun die sichtbaren Dinge?“
„Mit dem Gesichtssinn.“
Aber „...Wenn Sehkraft in den Augen ist und der Träger sie auch anwenden will, und wenn Farbe darin ist, kann doch, wie du weißt, das Auge nicht sehen und die Farben bleiben unsichtbar,w enn nicht ein Drittes hinzukommt, das eben dazu da ist.“
„Was meinst du darunter?“
„Was du das Licht nennst!“
„Richtig!“
„... Wen von den Göttern bezeichnest du al die Ursache dafür? Wer spendet das Licht, durch das unser Auge alles aufs schönste sieht, alles Sichtbare gesehen werden kann?“
„Ich meine denselben wie du un alle andern: Helios, der Sonnengott, ist es klarerweise, nach dem du fragst.“
„Das Verhältnis der Sehkraft zu diesem Gott ist doch folgendes?“
„Welches?“
„Weder die Sehkraft selbst noch das Organ, in dem sie wohnt, was wir Auge nennen, ist Helios?“
„Nein!“
„Aber das Auge ist doch das sonnenhafteste under allen Sinnesorganen?“
„Bei weitem!“
„Auch die Sehkraft hat es von der Sonne zugeteilt erhalten wie einen Strom, der ihm zufließt.“
„Gewiß!“
„Somit ist die Sonne nicht die Sehkraft, wohl aber ihre Ursache und wird von ihr gesehen.“
„So ist es.“
„Diese Sonne... ist jener Sproß des Guten, den sich das Gute als Abbild seiner selbst gezeugt hat: was es selbst in der Welt der Gedanken ist gegenüber dem Verstand und dem Gedachten, das ist die Sonne in der Welt des Sichtbaren gegenüber dem Gesichtssinn und dem Gesehenen.“
„Wie? Erkläre mir das noch deutlicher!“
„Von den Augen weißt du es ja: wenn man sie nciht mehr auf Dinge richtet, deren Farben das Tageslicht beleuchtet, sonderen auf solche, die das Dämmern der Nacht umgibt, dann sind sie stumpf und fast blind, als ob keine Sehkraft in ihnen wäre.“
„Richtig!“
„Wenn man sie aber auf Dinge richtet, die die Sonne bestrahlt, dann sehen sie deutlich, und in denselben Augen wohnt jetzt offenbar die Sehkraft.“
„Ja!“
„Ebenso stelle es dir in der Seele vor! Wenn sie sich auf das stützt, worauf die Wahrheit und das Seiende leuchtet, dann kommt sie zu Einsicht und Erkenntnis und besitzt offensichtliche Denkkraft. Wenn sie aber auf die Welt schaut, die mit dem Dunkel vermischt ist, die wird und vergeht, dann hat sie bloß Meinungen und wird blind, änder t ihre Ansicht bald so, bald anders und erweckt den Eindruck, ohne Verstand zu sein... Wie du Licht und Sehkraft mit Recht für sonnenähnlich, nicht aber für die Sonne hälst, so tust du hier gut, erkenntnis und Wahrheit für ‚gutähnlich‘, nicht aber für das Gute zu halten...“

Und nachdem Glaukon nochmals um weiter Ausführung dieses Gedankens bittet...

„Bedenke also! Wie wir sagen, gibt es zwei Mächte; die eine ist Herrin über Art und Raum des Erkennbaren, die andere über das Sichtbare... Stelle dir eine Linie vor, die in zwei ungleiche Teile geteilt ist; nimm die Teile und unterteile sie nochmals in gleichem Verhältnis; der eine stellt das Gebiet des Sichtbaren dar, der andere das des Erkennbaren. Nach ihrer relativen Klarheit und Unklarheit hast du im sichtbaren Teil alse einen Abschnitt die Abbilder. Ich versehe darunter zuerst die Schatten, dann die Spieelbilder im Wasser und auf allen festen, glatten und glänzendern Gegenständen, und all das Ähnliche - wenn du das verstehst?"
„Ich verstehe!“
„Den andern Abschnitt denke dir dann für die Dinge, denen die Bilder ähnlich, also die Lebewesen um uns, die ganze Pflanzenwelt udn die vielfältigen Geräte menschlciher Erzeugung.“
„Gut!“
„Gibst du auch dies zu: in Bezug auf Wahrheit und Unwahrheit verhält sich das Abbild zu seinem Original wie die Meinung zum Wissen.“
„Natürlich!“
„Übelege nun, wie man den Teil des Erkennbaren unterteilen soll.“
„Wie denn?“
„Im ersten Abschnitt (des zweiten Teils) benützt die Seele die Originale (des ersten Teils), die dort nachgeahmt wurden, als bloße Abbilder und sieht sich gezwungen, auf Grund von Hypothesen zu forschen; dabei geht es ihr hier nicht um einen Urbeginn, sondern um ein festes Endziel. Den anderen Abschnitt durchforscht sie, indem sie von den Hypothesen zum voraussetzungslosen Urgrund fortschreitet, und zwar ohne die Abbilder von vorhin, nur mit Hilfe der Ideen in methodischem Vorgehen.“

„... Der denkende Geist mit seiner Kraft der Dialektik verwendet die Hypothesen nicht als letzten Grund, sondern als echte ‚Voraussetzungen‘, wie Stufen und Stützpunkte; mit ihrer Hilfe dringt er bis zum voraussetzungslosen Urbeginn des Ganzen vor, hält sich an ihm und dann wieder an dem, was von ihm abhängt, unst steigt so wieder hinab und zurück zum Ende, ohne irgendwo das Sichtbare zu Hilfe zu nehmen, sondern nur mit Hilfe der Ideen und durch sie und wieder zu ihnen,...“

Schließlich faßt Glaukon zusammen

„...Du nennst also die Methode der Geometriker und ähnlicher nicht eigentliche Erkenntnis, sondern eine Nachdenken, das in der Mitte zwischen dem bloßen Meinen und der eigentlichen Erkenntnis liegt.“
„Das hast du ausgezeichnt dargelegt...“

Übersetzung von Karl Vretska


Ich bitte für Tippfehler um Entschuldigung

Geändert von Thomas (22.11.2012 um 12:05 Uhr)
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