Thema: Das Dogma
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Alt 02.09.2012, 20:47   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

kein Problem, kann alles passieren und Fehler gilt es immer auszubügeln.

Zitat:
Zu "trüber" usw. - du erkennst ja selber, dass so, wie der Satz dort abgeteilt ist, die monierte Fehlinterpretation praktisch provoziert wird. Zudem stört mich irgenwie etwas an Klangbild und Rhythmus der Folgezeile: "Gedanken infiziert" Diese Stelle hakt irgendwie für mein Empfinden. Sei es unschöner Klang (en-in) oder zuviel Zungenarbeit - es scheint den Fluss zu stören.
Ja, natürlich sehe ich das auch, der Zeilenumbruch ist dort ja auch mit Absicht gesetzt. Ich verstehe auch, wenn das etwas verwirrend beim Leser ankommt, aber das haben wir ja jetzt geklärt.
Zu "Gedanken infiziert" möchte ich folgendes anmerken:

Gedanken = xXx
infiziert = xxX

Das ist mir schon klar, aber hier gilt die (Faust)Regel, daß es in der deutschen Sprache keine drei unbetonten Silben hintereinander gibt.
Wenn also drei unbetonte Silben hintereinande stehen, so wird die mittlere dieser drei beim Lesen leicht angehoben, so daß Gedanken infiziert zu xXx(X)xX wird.

Vielleicht ist das aber jetzt auch ein Unterschied zum österreichen Dialekt, das kann ich jetzt nicht so genau beurteilen.
Ich merke es mir aber und werde es künftig zu vermeiden suchen.

Zitat:
Inhalt: ein Fanal wider Extremismus jeder Art!
Ja, genau so könnte man das beschreiben.

Zitat:
Die Mächtigen und die Verführer - die "Kulissenschieber" - reden den Hörigen Hass und Zukunftsängste (wühlende Würmer) ein. Da die tumbe Masse der Folger ungebildet ist, sind die Gedanken trübe, die Hoffnungen vage, und ein "Wahnsinnsfieber" schein freiflottierend zu grassieren.
Dem stimme ich auch zu, das ist gut ausgedrückt, wobei ich noch anmerken möchte, daß der Begriff "Kulissenschieber" hier zweideutig verwendet werden kann.
"Kulissenschieber" nennt man auch etwas abwertend diejenigen Schauspieler, die nie eine Hauptrolle innehatten, sondern immer nur unbedeutende Nebenrollen bekamen, obwohl sie schon lange im Geschäft sind.

Zitat:
Das Lyrich, der Dichter, fragt süffisant ins Off, welche Rolle er denn dabei spielen soll, welche Maske aufsetzen, um sich quasi anzudienen und so zu überleben.
Wir spielen ja alle mehrere Rollen im Leben. Das könnte man als Überlebensfunktion bezeichnen und je besser du deine Rolle spielst, um so erfolgreicher bist du auch, zumindest nach außen hin.
Flexibilität ist dabei alles und ein Wesen mit Vernunft weiß sich sicherlich auch entsprechend zu verkaufen.
Zitat:
Automatisch stellt sich die Frage, wer da wohl im Off sitzt, wen der Dichter anspricht.
Genau diese Frage ist an dieser Stelle erwünscht.
Eine pauschale Antwort darauf wäre: Das Leben, also einfach die Existenz.
Sag mir, Leben, welche Rollen hast du mir zugedacht?
Das erfährt man freilich oft erst dann, wenn man drin steckt, nicht wahr?
Man kann es natürlich auch planen, aber meist findet man sich plötzlich in einer bestimmten Rolle wieder. Spätestens, wenn sie einem bewusst (gemacht) wird.

Zitat:
Gott ist es nicht, da er ja zum Ende hin anbietet, selbst diesen besonders ins Licht zu rücken, falls gewünscht. So macht er sich offenbar zynisch, aber willfährig zum Diener der Mächte, die die Dummen dieser Erde manipulieren, wahrscheinlich mit poetischen Aufrufen zu heiligem Krieg oder Fremdenfeindlichkeit, Ermordung "Ungläubiger", mittelalterlichem Rechtsdenken, Rassismus, usw - die ganze Palette menschlicher Blödheit und Grausamkeit eben.
Nun, Gott ist ein sehr abstrakter Begriff.
Der eine stellt sich ein individuelles (das höchste) Wesen darunter vor, der andere erblickt ihn in der Allheit des Universums und der nächste in der Kraft der Natur, der Gefühle usw.
Gott verkörpert sein Ideal. So wie sein Gott ist auch er beschaffen und sein Gott so wie er. Also ist er selbst sein Gott, denn er erschafft ihn aus seinen Vorstellungen und Idealen.
Handelt es sich um einen personifizierten Gott, werden ihm noch menschliche Eigenschaften zugeordnet, vornehmlich diejenigen, die den eigenen positiven Moralvorstellungen entsprechen.
Das heißt also Gott ist rein subjektiv und so verhält es sich auch mit anderen Ideologien, die dann zu einem feststehenden Dogma werden.
Haben diese Ideologien Erfolg, sind sie ein geeignetes Instrument zur Manipulation der Massen, die aufgrund des angenommenen Glaubens durchaus in der Lage sind, solche Greueltaten, wie von dir beschrieben, zu verüben.
Der Dichter muss seine Rolle spielen, das ist schon klar.
Aber macht er sich tatsächlich, wenn auch mit Zynismus, zu einem willfährigen Diener der Manipulatoren?

Zitat:
Indem der Dichter dieses Gedichtes also einen Dichter im Sold der Intoleranten beschreibt und sprechen lässt, weist er nicht nur auf diese Art der Machenschaft, Zwang und Unterdrückung hin, sondern zeigt auch, dass das eigene Überleben im Zweifelfalle wohl immer näher steht als ein hehres idealisiertes Weltbild, und man fragt sich: Wie hätte ICH als Dichter in solcher Lage reagiert? Hätte ich opponiert mit Aussicht auf Ächtung, Verhaftung und Folter, gefolgt von einem stillen "Verschwinden"? Oder hätte ich - zwar voller Bitterkeit und Verachtung, aber eben doch - gehorcht und mich zum Vollstreckungsgehilfen einer menschenverachtenden Ordnung gemacht, seien es nun Nazis oder Islamisten...oder sonst irgendeine Gruppe von Irren, die den Finger am Abzug haben?
Ich weiß es nicht - und ich hoffe zutiefst, es nie herausfinden zu müssen!
Er lässt ihn im Gegenteil nur zum Schein im Sold der Intoleranten sprechen.
Die Logik sagt ihm, es bringt keinerlei Nutzen mit sich, durch sein opponierendes Verhalten ein stilles Verschwinden zu provozieren.
Wenn er fort wäre, gäbe es auch keine Gedichte mehr von ihm und sein Bemühen wäre umsonst gewesen.
Nein, er spottet den Umständen und den Idealen, weil er Dichter sein will. Also hält er das Zeitgeschehen in seinen Werken für die Nachwelt fest und lässt diese dann später selbst moralisch darüber entscheiden.

Der Dichter ist also endgültig erwacht und sein einziges Ideal ist die Lyrik, der er sich verpflichtet fühlt, sie wird zu seinem Dogma.

Kann er anders?


Ich bedanke mich ganz lieb für die erneute Rückmeldung und habe mich sehr darüber gefreut...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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