Thema: Hörst du?
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Alt 13.07.2012, 08:36   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Thomas!

In diesem Fall muss ich leider mal sagen: Insgesamt gefällt mir dies weniger.

Es erscheint mir wie eine Mischung aus lyrisch anmutender Satzstellung und z.T. simpel gestrickter Allgemeinsprache. (zB S2 - "erst hab ich gedacht" usw.)

S1Z3 - Metrisch zu kurz - das "mir" fehlt.
S1Z4 - Ein "nur" dazu, und es passt.

In der ersten Str. widersprichst du dir auch inhaltlich:
Erst vermittelst du den Eindruck, die Stimme "spricht und spricht", in der letzten Zeile von S1 aber spricht sie beinah oder droht nur zu sprechen.
Ja, watt'n nun!??

S2Z2 - Das "ruhig" muss man ganz komisch - mit betontem "i" - aussprechen, damit sich die Zeile im Sprachtakt noch ausgeht.

Ende S2 - Wenn du in der Ichform erzählst (Lyrich oder nicht), erscheint das mit dem Kriegslärm doch etwas dick aufgetragen - zumindest macht es den Eindruck, es eher mit einem Täter als mit einem Opfer zu tun zu haben.

S3Z2 - Metrisch geht sich der 2. Satzteil ungekürzt aus. Warum lässt du das "Ich" hier weg - so klingt es eher flapsig.

Insgesamt ist mir die Sprachmelodie durchgehend zu abgehackt, zu flatterhaft. Inhaltlich ist das Gedicht gut, indes, die Umsetzung erscheint mir zu unausgegoren. Würde ich noch mal bearbeiten.

Beispiel:

Hörst du?

Hörst du die Stimme? Hörst du sie nicht,
wie sie mal laut und mal leise spricht?
Seit Ewigkeit lässt sie mir keine Ruh,
sagt immer das Gleiche nur, immerzu.
Es gibt kein Entkommen und kein Entfliehn,
in die Wüste selbst würde sie mit dir ziehn.
Worte des Blicks, der dein Innerstes schaut,
allezeit raunt sie und ist doch zu laut!

Erst dachte ich bei mir, das ginge vorbei,
dann bat ich sie nur, dass sie leiser sei.
Ich hab mich im Großstadttrubel versteckt.
Sie hat mich in Bars und Discos entdeckt.
Ich habe Sohlen mit Nägeln getragen,
geschrien, gebrüllt und Schlagzeug geschlagen,
ich hab mich betrunken – die Stimme blieb da,
sogar wenn ich träumte, war sie mir nah.

Hörst du die Stimme? Hörst du sie jetzt?
Ich bin nicht verrückt, nur ständig gehetzt.
Sie könnte doch wenigstens etwas befehlen,
anstatt mich beständig mit Fragen zu quälen,
den Fragen nach mir und nach einem Sinn.
Sie fragt, fragt mich ständig nur, wer ich bin.
Ich will es nicht hören. Ich kann es nicht!
Hörst du nicht auch, wie sie spricht und spricht?


Hier habe ich versucht, das Ganze sprachlich etwas zu runden, sodass ein melodischerer Fluss entsteht. Übernimm, was dir brauchbar erscheint.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (16.07.2012 um 12:05 Uhr)
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