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Alt 20.05.2012, 08:44   #6
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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hi erich,

das ist ziemlich interessant, was du da erzählst.

nö - natürlich fälltt die von dir beschriebene kleinigkeit nur dem "fachmann" auf. aber das bestätigt eigentlich nur, was ich sage: man sieht nicht, was man sieht, sondern das wahrgenommene ist immer auch gefärbt durch die eigene brille ( sprich: eigene emotionale befindlichkeit, vorerfahrungen, backgroundwissen).

und dabei beginnt das breite spektrum der interpretation.
würde man nur beschreiben, dann könnte man bloß sagen:

eine minderjährige weibliche person, ca. 6-8 jahre.
man sieht eine ländliche szene , wohl aus dem vorigen jahrhundert? es gibt nur einen weg, der sich von links nach rechts durch das bild windet. in der rechten unteren ecke macht er eine kurve und verschwindet im mittleren bildgrund. links in der mitte ist ein baum. das mädchen ist nach art der zeit eher einfach , bäuerlich gekleidet: als oberteil trägt sie ein am rechten ärmel zerrissenes bräunliches hemd ohne knöpfe, darunter einen duneklgraugrünen rock, der ihr bis zu den knieen reicht.
in der linken hand trägt sie einen henkelkrug. am oberen rand des kruges ist eine dreieckige scherbe ausgebrochen. der arm ist gestreckt, der rechte arm umklammert ein hündchen mit braunen schlappohren. der übrige hund ist weiß. das mädchen geht barfuß.
die bäume und büsche am rechen bildrand sind dunkelgrün, fast schwarz. das gesamte bild ist in grau-grün-braun-tönen gehalten. rot, gelb oder blau sieht man nicht. die hellste stelle befindet sich etwas rechts der bildmitte. dort werden wolken dargestellt.
die blickrichtung des mädchens ist nach links unten. sie hat kurzes, braunes haar, das ihr bis zu den ohren reicht, mit einem kleinen seitenscheitel links. da teilen sich auch die stirnfransen....


lieber thomas, das obige käme einer reinen beschreibung gleich - aber wer wollte schon so ein gedicht lesen?
kunst, so denke ich, ist eigentlich immer schon eine art interpretation der welt. (selbst in der fotografie wird nicht immer nur abgebildet. der blickwinkel des fotografen erzeugt bereits eine eigene realität. da gabs doch mal diesen film: "8 blickwinkel" - wo ein ereignis aus der sicht und dem erleben von 8 personen erzählt wird - und der zuschauer sich mehr und mehr fragt: wie war denn das alles wirklich?)

auch unser blick in die vergangenheit ist von unserem jetzigen wissen, unserem jetzigen standpunkt mitgeprägt.
ich denke, auch das hat der dialog zwischen erich und mir deutlich gezeigt.


vielen dank euch beiden für die interessante unterhaltung!
lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (20.05.2012 um 09:02 Uhr)
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