Hi, larin!
Da dichten wir einfach anders.
Du scheinst genau zu wissen, was du aussagen willst und passt dein Sprachwerk dem an.
Ich mache es genau umgekehrt: Ich lasse mich von der Sprachmelodie tragen, und irgendein zur Thematik passender Sinn ergibt sich aus dem Unterbewussten. Meist fange ich durchaus mit einem gewissen Gedanken oder Aussageziel an, bin aber "unterwegs" jederzeit bereit, schräg abzubiegen, wenn das Ursprüngliche nicht in den Klangfluss des Gedichtes passen will.
Hinterher staune ich selbst oft darüber, WO zum Geier ich meine Conclusios herhole. Im Augenblick des Entstehens ersinne ich sie bestenfalls halbbewusst, und sie fügen sich, als SOLLTEN sie so sein. Interessanterweise scheinen sie immer am besten zu passen - ich musste meines Wissens noch nie eine nachbessern.
Deshalb auch meine "Schmerzfreiheit", wenn ich Konvention durch Alltag ersetze - die Aussage, was genau das Gedicht an dieser Stelle weiterbringt und ihm Substanz verleiht, ist für mich im Grunde austauschbar. Viel wichtiger erscheint mir, dass es in mir singt und klingt, wenn ich es lese.
Ich sehe es so:
WAS ich als Dichter nun exakt aussagen wollte, ist nur für mich wichtig und stirbt mit mir. Die Sprach- und Klangmagie eines stilistisch gelungenen Gedichtes bleibt über die Jahrhunderte.
Wen juckt es beispielsweise heute noch, ob ein Goethe außer Haus ging, um die Natur zu erleben oder um den Rasen zu mähen, mal drastisch ausgedrückt. Wesentlich ist das Gedicht, das sich daraus ergab. Und ob er nun eingangs schreibt: Ich ging hinaus, das Gras zu schneiden... - oder: Ich ging hinaus, die Welt zu schauen... - ist für mich eine Frage des lyrischen Stils, nicht der Authentizität um jeden Preis. Selbst wenn er tatsächlich mähen wollte, wäre mir letzterer Einstieg lieber, einfach weil er besser klingt und poetischer ist. Scheiß auf die Fakten!
Und so halte ich es mit meinen Gedichten auch. Deshalb verstehe ich manchmal das Klebenbleiben an aus meiner Sicht für die Lyrik an und für sich im Grunde irrelevanten Fakten nicht so ganz. Warum MUSS es dieses Motiv sein, das beschrieben wird? Auch wenn es nicht in den lyrischen Fluss passt und das Gedicht so verhunzt, dass es nie Anspruch auf Bestand haben wird? Es ist eben ein grundverschiedenes Herangehen, meine ich.
Regelwerk ist jedenfalls besser als Konvention, aber das nur am Rande. Eigentlich wollte ich nur den Unterschied in der dichterischen Herangehensweise darlegen, der uns offenbar unterscheidet. Nun, jeder gewichtet anders.
LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.
Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Geändert von Erich Kykal (21.04.2012 um 09:16 Uhr)
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