Thema: Kız kulesi
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Alt 02.04.2012, 10:31   #4
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asphaltwaldwesen
 
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so. jetzt drück ich mich schon seit tagen um einen kommentar zu der ballade rum, lieber thomas.....

und zwar, weil ich sie als sehr vermischt empfinde. und die ersten drei strophen sind tatsächlich ein wunderschönes lied und führen einen direkt hinein in die welt des erzählers. und dann kommt für mein empfinden in S4 ein bruch, der mich zwingt, mich umzuorientieren. grad noch warens vögel - schon klar, als platzhalter natürlich. plötzlich ein vater (wessen?) und schande - was war geschehen? der titel legt es nahe, dennoch: ich muss tatsächlich erst nochmal zurück zu S2, um mir auszuknobeln, wer jetzt wer ist. ich würde mir von einer ballade den komfort wünschen, alles "ausgedeutscht" vorgesetzt zu bekommen - erzählt eben und nicht bloß angedeutet bzw. so stark verdichtet. das scheint mir hier widersprüchlich zu wirken mit den "zusammenfassend wirkenden" strophen vier bis sechs und denen, wo die dramatik angedeutet und für mein gefühl eine erzählung "vorbereitet" wird. mag aber ev. auch an meiner ganz persönlichen erwartungshaltung an eine ballade liegen und an der doch sehr erzählerischen einleitung deiner ballade.

Zitat:
Zitat von Thomas Beitrag anzeigen
Als dieser den Jüngling erschlagen,
da klagte die Lerche so bang.
Das Mädchen mit Weinen und Klagen
vom Felsen dem Liebsten nachsprang.
xXxxXxXx
das sperrt metrisch dann doch sehr. nachsprang auf der letzten silbe betont lesen zu sollen, weil die metrik es erzwingt, legt sich für mein ohr dann doch quer. und wenn man es natürlich betont liest, wie das wort es nun mal erzwingt, geht es auch nicht.

eine umstellung vielleicht? (ich hab jetzt eine weile probiert, aber nichts brauchbares als vorschlag zustande gebracht). andererseits - als lied gesungen fällt die stelle vermutlich nicht ins gewicht, weil da die betonung ohnehin melodie und takt folgt und das metrum überlagert.

zurück zu dem, was mich so zwiegespalten macht. ich kanns nämlich nicht ganz fassen, will es aber versuchen, denn wenn man schon meckert, sollte man es auch begründen.

für mich beginnt es in dieser strophe:

Zitat:
Der Vater, erzürnt ob der Schande,
der schlug seine Tochter und sprach:
'Dein Bruder zieht jetzt in die Lande
und rächt die Familienschmach!'
die schande - ich hätte sie gerne durch mehr als den titel des gedichtes begründet - erzählerisch sozusagen. und seis auch nur die andeutung der "verbotenen/schändlichen liebe" oder sowas. und muss der vater die tochter auch noch schlagen? das will mir hier zuviel - ist es nicht schlimm genug, was der bruder auf seinen befehl hin tun wird? dieses vollpacken mit "allem", was da so kulturbarrierenbedingt bitter aufstößt, wirkt zu gewollt für mich und dann wirds - obwohl es das nicht verdient hat - zum klischee. für die geschichte hier ist es jedenfalls nicht von bedeutung, behaupte ich.

und wenn du dem bruder, der selbst an dieser familienehre zerbricht und sich - zwischen den kulturen alleingelassen und verloren fühlend - erhängt, eine strophe widmest, solltest du das mE auch der tat an sich. nicht, dass ich grausame einzelheiten lesen wollte. iwo. aber vielleicht ein "tun" - mit der andeutung der fehlgeleiteten gefühle dabei oder dem, was dieser befehl eigentlich mit dem bruder macht... irgendsowas.

deine ballade wechselt mir zwischen erzähltem und "vorausgesetztem" zu oft hin und her. das wirkt auf mich, als würden teile fehlen und man durch andeutungen in den folgenden strophen überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht... ich hab ständig den drang zurückzublättern, ob ich nicht etwas überlesen habe. so fühlt es sich für mich an. ich hoffe, es ist halbwegs klar, was ich meine.


die letzten beiden strophen - wie auch die ersten drei : ein traum! wunderbar melodisch und stimmig. ich würd mir für den eigentlichen geschichtenteil ähnliches wünschen. vor allem die erzählung der geschichte. auch, wenn ich vermute, das ist nicht deine intention für die ballade bzw. widerstrebt dir. sonst hättest du es ja sicherlich so gemacht. dennoch - mir fehlt etwas.

dennoch gerne gelesen. und ich freu mich, wenn die ballade wieder ein wenig hochgehalten wird. die wird viel zu selten "bemüht".


lg

fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (02.04.2012 um 10:34 Uhr)
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