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Alt 03.01.2012, 00:56   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hi Stimme,

nach einem absoluten "Blackout" ist das seit langer Zeit mein erster Text wieder.
Danke fürs "Draufstürzen"...

Zitat:
Ja, Legenden, Mythen und Märchen. Nicht vergessen: Nicht unter einer Leiter hindurchgehen, darauf achten, dass keine schwarze Katze von links kommt und den Weg kreuzt, und auf keinen Fall Salz verschütten oder einen Spiegel zerbrechen! Wer es lieber positiver mag, kann nach Island fahren, wo Straßen um Elfenhügel herumgebaut werden (geht man selbst darum herum, taucht eine Elfenkönigin auf, die, falls sie gerade zufällig gute Laune hat, einen Wunsch erfüllt) oder eine Münze in einen Wunschbrunnen werfen. Ach ja, an Silvester bitte daran denken, einen angebissenen Apfel unters Kopfkissen zu legen - falls hier noch weibliche Singles auf der Suche sein sollten, der "Zukünftige" erscheint dann im Traum. Wenn nicht, wurde sicher zu viel oder zu wenig abgebissen.

Ach, Faldi - Jacke wie Hose. Aberglaube ist Aberglaube und scheint einfach unheilbar zu sein. Ich sehe mir das nicht an, und würde es mir auch dann nicht ansehen, wenn ich einen Fernseher hätte. Ihr Schäflein, versammelt euch. Nicht zu fassen: Es ist die größte Schafherde der Welt - 1,1 Milliarden Katholiken, nur als Beispiel. Überall die Hirten, beim Hüten ihrer Schafe; stimmt, nicht nur am Petersdom im Vatikan. Weihnachten sind die Kirchen voll. Bigotterie, verpackt in flauschiger Weihnachtswolle.
Ob "Glaube" oder "Aberglaube", egal welchen Namen man diesem Phänomen gibt, es läuft letztendlich immer darauf hinaus, für das eigene Schicksal, zumindest teilweise, besondere odere höhere Zustände verantwortlich zu machen. (Da können wir ja eigentlich nur froh sein, daß die weltliche Gerichtsbarkeit da nicht mitspielt und auch Verbrechen, die aus religiösen Motiven verübt werden, abstrafen. Warum bloß?)

An einem Freitag, den 13., bleibe ich am besten im Bett, denn gleichgültig was mir da auch Schlechtes widerfährt, es war dieser vermaledeite Unglückstag, der mein Schicksal bestimmte.
Dabei ist das ein Tag wie jeder andere auch, nur das die Menschen aufgrund ihres Kalendersystems ihm dieses Datum gaben.
Genau das, was an diesem Tag passierte, wäre auch geschehen, wenn er ein anderes Datum gehabt hätte.
Aber Hauptsache, man hat eine Erklärung dafür parat und sei sie noch so widersinng.
Wenn man natürlich an einem solchen Freitag einem Schornsteinfeger begegne, dann spucke man ihm schnell über die Schulter und das Glück ist einem wieder hold. (Wenn ich Schornsteinfeger wäre und mir spuckte einer über die Schulter, wäre es mit seinem Glück allerdings nicht so weit her...)

Besonders beliebt aber sind das Oster- und das Weihnachtsfest, wenn wir einmal beim Beispiel der Katholiken bleiben.
Seit 1967 muss der Gläubige nicht einmal selbst bei Erteilung des Segens "Urbi et Orbi" durch den Papst persönlich anwesend sein, es reicht der Empfang über Radio, seit 1985 über das Fernsehen und seit 1995 gar über das Internet, um allen, die guten Willens sind, einen vollkommenen Ablass ihrer Sündenstrafen zu gewähren.
Das ist doch geil. Ich schlage der alten Omi den Schädel ein, um ihre Handtasche zu rauben, bin aber gläubiger Katholik und hole mir über YouTube Papartazingers Segen dazu, so daß ich im Jenseits nichts mehr zu befürchten habe. Sehr komfortabel...

Zitat:
Nun ja, es ist nachgewiesen, was "religiöse Ekstase" tatsächlich für eine Empfindung ist. Das fühlt sich einfach zu gut an, und deshalb möchten die Gläubigen das gerne immer wieder haben. Ich weiß nicht - einfacher ginge es auch.
Und mach dir keine Sorgen, weshalb sollte der "Geist" noch Appetit auf Philosophen haben? Er ist doch sicher schon satt, bei so viel Verstand, den er bereits geraubt hat. Da passt sicher kein Krümelchen mehr rein. Jedenfalls an Weihnachten.
Ja, die religiöse Entrückung ist schon erstaunlich. Andere brauchen dafür Drogen oder Sex oder beides, jenen reichen schon ein wenig Weihrauch und ein paar Wunder um in diesen Zustand zu gelangen.
Dazu fällt mir eine Textzeile des Udo Lindenberg Liedes "Reggae Meggi" ein, welches zwar hier aus dem Zusammenhag gerissen wird, aber dennoch gut passt:
"Man gibt den Kopf ab an der Gaderobe, man braucht ihn nicht mehr in diesem Flair..."

Zitat:
Also dieses Jahr war's ja etwas früher, aus Rücksichtnahme auf die betagte Leitfigur. Wieso muss ich da eigentlich immer an ein goldenes Kalb denken? Hm.
Immer wieder lustig: Alles ist Gottes Wille. Aber Gottes Wege sind unergründlich. Wenn Gott also nicht verstanden werden kann, dann kann ein Mensch auch dessen Willen nicht verstehen. Davon ist aber dauernd die Rede. Das verstehe ich nicht, aber es erheitert mich, genauso wie das Kamel, das durch ein Nadelöhr soll oder das Rätsel im AT: Kain verließ das Land, und zog in ein anderes, nach Nod. Dort wurde "seine Frau" schwanger - wo kam die denn her? Wenn er eine Schwester mitnahm - also bitte, Inzest? Wen heirateten eigentlich die Kinder von Adam und Eva, wenn es sonst "niemanden" gab als die Geschwister? Hm.
Da hilft die rosa Brile auch. Dann sieht man das einfach gar nicht, so schön rosa gefärbt, wie alles ist.
Na ja, das darf man alles nicht so wörtlich nehmen, die Bibel bleibt an vielen Stellen (nämlich immer da wo es passt) lediglich allegorisch.
Das Ganze läuft immer auf das Eine hinaus, nämlich auf die (moralische) Wahrheit im Gewande der Lüge.
Die Kirche nennt dies freilich selbst "Mysterien".
Mythen und Allegorien sind die eigentliche Elemente der Religion, mit denen sie den sehr wohl vorhandenen metaphysischen Bedürfnissen der Menschen Genüge leisten, wobei ihnen die geistige Beschränktheit der großen Masse hilfreich zur Seite steht. So einfach ist das...

Zitat:
Also die antiken Götter konnten das auch. Sie hatten nur nicht so viel Lust dazu. Und es gab ein paar Unterschiede in den "Methoden", denn je nachdem "funktionierte" das anders. Hellenismus, Platonismus, Gnostizismus, Zarathustrismus (was für ein Wort!), in der jüdischen Religion ...
Christentum und Islam sind nur die "Neuesten". Wobei Martin Luther (hatte er eigentlich ein Haustier?) von der "leiblichen" Wiederauferstehung der Tiere überzeugt war. Also ich würde sagen, dann muss das auch für Insekten, Fische, Pflanzen, Bakterien etc. gelten. Mal ehrlich - wenn also alle Lebewesen, die jemals gestorben sind, "im Fleische" wiederauferstehen - moi! Die haben ja gar keinen Platz, das wäre die ultimative Überfüllung! Und ich will keinen Tyrannosaurus Rex im Garten!
Ja, aber trotzdem basier(t)en alle Systeme auf der Grundlage höherer und mächtigerer Wesen, die ihre Existenz dem Erfindungsreichtum der Menschen verdanken, die schon immer fleißig darin waren, Dogmen durch Wunder und Offenbarungen zu erschaffen.

Also meinetwegen darf der alte "T-Rex" ruhig auf irgendeiner jungfräulichen Erde wieder auferstehen und sein Unwesen treiben. Das Universum ist doch groß genug, oder? Da wird sich doch eine nette Kugel finden lassen, wo das nicht weiter stört...

Zitat:
Und was die "Jungfrau" betrifft, da ist mittlerweile doch gut bekannt, dass sowohl dieser Mythos als auch die vielen "Heiligen" nur von der Kirche "geschaffen" wurden, um den "heidnischen Äquivalenten" das "Wasser abzugraben" und erfolgreicher "bekehren" zu können. Hat alles Entsprechungen in früheren polytheistischen Religionen. Maria als Beispiel: Der "Ursprung" liegt in der heidnischen (<- so vorgefunden), vorchristlichen Verehrung der Himmelsköniginnen (du meine Güte, wie einfallslos, sogar die Bezeichnung wurde kopiert) Griechenlands, Roms und des Mittelmeerraums: Diese waren "austauschbar" (aha, dann war das mit Maria ja auch einfach zu bewerkstelligen); es gab Göttinnen namens Artemis, Astarte, Celeste, Ceres, Cybele, Demeter, Diana, Ischtar, Isis und Selene.
Sicher, und "JHWH" ist von der alten vedischen Gottheit "Indra" abgekupfert worden, wie Schopenhauer anschaulich in seinen Schriften nachweisen konnte.
Nur das "JHWH" eben ein ziemlich eifersüchtiger Typ sein soll, der, im Gegensatz zu seinen Kollegen, keine anderen Götter neben sich duldet.

Zitat:
Urbi et orbi - der Stadt und dem Erdkreis. Ja, für bibelfeste Christen ist die eine Scheibe. Es gibt sogar Bilder, auf denen sie nicht einmal rund ist, es gibt sie auf Wunsch auch als "Kiste", sieht jedenfalls so aus:


Das passt. Immer schön das Geld in die Kiste werfen, dann bekommt man den Schlüssel und darf die Kiste nach dem "Ableben" öffnen. Ist aber so unfair wie der Wertpapierhandel an der Börse, denn: Man weiß einfach nicht vorher, was "drin" ist! Das ist wie beim Lotto: Der Gewinn der Lottogesellschaft überwiegt, denn es wird immer viel mehr Geld eingenommen als durch Gewinne ausgeteilt. Trotzdem kaufen die Leute ständig weiter Lose, in der Hoffnung auf die "mysteriösen sechs Richtigen mit Zusatzzahl". Bei Kirchen funktioniert das noch viel besser, sogar ständig mit "Trostpreisen" (keine "Gewinnauszahlung" an "Lebende") denn es kam noch nie einer zurück, der gesagt hätte: "Hey, ich habe die ewige Glückseligkeit gewonnen!" Mit Ködern fängt man Fische, dementsprechend fromme Lottospieler mit Gewinnversprechungen! Ich rätsle immer wieder, wie das funktioniert. Nicht mal der "Köder" ist real ...
Nun, dazu fällt mir nur der alte Spruch ein: "Der Glaube versetzt Berge"

Wenn ich etwas glaube, dann bin ich von dessen Wahrheit überzeugt und wenn ich fest an etwas glaube, dann kommt mir jeder Hinweis auf die Sache gerade recht und festigt meinen Glauben.
Das kann nur an der geistigen Beschränktheit der Masse liegen und vor allem damit, daß diesen armen Gläubigen schon im Kindesalter mit feierlichem Ernst und Ehrfurcht beigebracht wird, nur ja ihr Seelenheil nicht zu verwirken.
So funktioniert das Spiel und solange die nicht aussterben, hat die Kirche Kunden, auch zahlende und somit ihre Existenzberechtigung.

Zitat:
Das haben monotheistische Religionen und deren Institutionen nun mal an sich: Ich habe recht und alle anderen unrecht. Das ist gleichzeitig auch die Schizophrenie, die in diesen steckt: Alle Menschen sind Brüder! Außer denen, die nicht die gleiche Religion haben, natürlich! Wer sich nicht bekehren lässt, wurde (und wird) gerne aus dem Weg geräumt, durchaus mit Gewalt - Gewalt im Namen Gottes widerspricht selbstverständlich auch überhaupt nicht dem Predigen von Liebe, neee. Das gilt ja nicht für "die".
Für eine Religion, deren Namensstifter sagte, man solle seinen Nächsten wie sich selbst lieben, ist es schon blanker Zynismus, wie immer wieder Andersdenkende eleminiert wurden.
Die Scheiterhaufen von Giordano Bruno und Lucilio Vanini (dem vorher noch die Zunge rausgeschnitten wurde) stehen als Zeitzeugen für diese scheinheilige Religion der Liebe und zeigen ganz klar, wessen Geistes Kind sie ist.

Zitat:
Die Lage mag verzweifelt sein, aber ich sehe sie nicht als hoffnungslos an. Es gab noch nie eine Religion, die dauerhaft "überlebt" hätte. Und die Wissenschaft trägt das ihre dazu bei, um das zu ändern. Um "alte Zöpfe" aus den Gedanken zu bekommen, das erfordert Zeit. Ja, ich bin auch der Meinung, dass Religionsunterricht, gleich welcher Art, in Schulen nichts zu suchen hat. Aber: Ich hatte auch Religionsunterricht, meine Großeltern und meine Urgroßmutter waren religiös - ich habe jedoch aus eigenem Antrieb schon als Jugendliche damit "aufgehört". Mögen Wissenschaftler, Denker und Philosophen auch im "Vergleich" mit der "Überzahl der Religionsanhänger" eine Minderheit sein - ganz langsam werden sie mehr. Die Kirchen verlieren an "Boden", auch das ist eine Wahrheit. Hoffnungslos wäre es, wenn es irgendwann überhaupt keine "Denker" mehr gäbe. Und das wird nicht geschehen. Denker gibt es, seit die Menschen mit dem Denken begonnen haben - Religionen kommen und gehen, aber die "Denker" haben bisher immer, trotz allem, weiter existiert.
Dieser Unsinn wird auch irgendwann einmal ein Ende haben.
Die Frage ist nur wann.
Es ist ja so, daß der Großteil der Bevölkerungen vieler Staaten mit Absicht unwissend und dumm gehalten wird.
Und da wo die Armut am größten ist, findet auch der Glaube am leichtesten seine willigen Opfer, weil Bildung eben Geld kostet, Religion (für den Staat) hingegen nicht und so ganz nebenbei noch ein Fundament für eine (krude s.o.) Moral liefert, wofür die jeweiligen Priester schon sorgen.
Denker wird es immer geben, jedoch werden diese in manchen Teilen dieser Welt auch immer angefeindet und verfolgt werden, weil sie auf der einen Seite das schöne Bild der Allegorien zerstören und auf der anderen die Position der Machthaber bedrohen.
Das ist ein Scheißspiel und alles im Namen des oftmals guten Glaubens der armen Schäflein, die nicht in der Lage sind, eine eigene Weltanschauung zu entwickeln.
Und das ist das wahrhaft Böse und Teuflische dabei, weil nur die Religionen diesen Aspekt erfüllen und einbringen.

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Kommen wir zur formalen Kritik:

Mir ist, ehrlich gesagt, gar nicht bewusst gewesen, daß hier eine Inversion vorliegt:

Man sah Millionen dieser stark Verwirrten,
wie sie im Büßerwahn herum dort irrten.

Normalerweise würde ich schon sagen: wie sie im Büßerwahn dort herumirrten, aber irgendwie kenne ich keine Bestimmung, die zwingend vorschreibt, wo die adverbiale Bestimmung des Ortes nun in einem solchen Satz zu sein hat. (Wahrscheinlich habe ich zuviel Goethe in der letzten Zeit gelesen. Seine Inversionen waren z.T. gravierender und ich musste unwillkürlich oft darüber lächeln.) Wenn es denn nun eine Inversion ist, dann ist es m. E. eine sehr schwache, wenn man das überhaupt so sagen kann.
Ich erlaube mir das einfach mal an dieser Stelle...

Millionen lese ich tatsächlich "Milljonen", was aber wirklich am Dialekt liegen kann.

Die "Metaphysikbrille" habe ich mir tatsächlich "metrisch zurecht gebogen" und die Eigenart der deutschen Sprache zunutze gemacht, in der keine zwei betonten Silben hintereinander vorkommen können. Das Thema hatten wir schon an anderer Stelle, aber grundsätzlich stimme ich dir zu, schwierig.

In der letzten Strophe ist mir aber tatsächlich ein Lapsus unterlaufen, der ausgebessert werden muss.

Vielleicht so?

Die Religionen schaffen hohe Mauern,
weil jede mit der eignen Botschaft wirbt,
die tief im Kern, und das ist zu betrauern,
den Geist der jungen Menschen schon verdirbt...

Ich werde auf jeden Fall noch einmal darüber nachgrübeln und für Abhilfe sorgen.
Solange übernehme ich das o.a.

Auf jeden Fall möchte ich mich ganz herzlich für die kritische Auseinandersetzung mit meinem Text und der entsprechenden Analyse bedanken.

Ich versuche wieder "reinzukommen"...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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