Hallo, eKy,
das ist wirklich ein schönes Wintergedicht. Ganz frei von "dunklen Gedanken", es "plätschert" beim Lesen wie der im Gedicht erwähnte Bach "dahin". Nicht sorglos, durchaus gedankenvoll, aber auch erfüllt von einer gewissen "Leichtigkeit", die ich vielleicht eher "ruhige Akzeptanz" nennen möchte.
Für mich hält hier im Gedicht ein LI einen "Rückblick". Dieser bezieht sich auf die Jahreszeiten, aber vor allem auch auf dessen Leben. Das "Werden und Vergehen" wird ruhig, geradezu friedvoll zur Kenntnis genommen und, als ein Teil des Kreislaufs der Natur, wird die eigene Vergänglichkeit auch als etwas "Natürliches" betrachtet.
In dem kleinen Bach, der sich bemüht, nicht selbst zu einem "Eingefrorenen" zu werden, sieht das LI wohl auch einen Teil von sich selbst.
Zitat:
Ob wir ein Werden oder ein Vergehen sehn -
Stets ist es unser Sein, das es gewährte.
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Die Conclusio gefällt mir (persönlich) am besten. Ja, das trifft vollkommen zu. Nur dadurch, dass wir sind, können wir das Werden und Vergehen überhaupt erst wahrnehmen. Weil wir leben, nehmen wir wahr - und weil wir wahrnehmen, leben wir. Auch das ist ein Kreis - im Kreislauf der Natur.
Formal ist es ein lebendiges Reimschema (abacbc), das durch den fünfhebigen Jambus wieder etwas verlangsamt wird, so dass es beim Lesen in "gemessenem Tempo" vorangeht. Auch "kehrt" hier das "Ende" zum "Anfang" zurück, indem sich in der ersten und der letzten Strophe der erste Vers wiederholt - auch hier "schließt sich der Kreis".
Das Reimschema hat auch Anklänge an Terzinenreime, da jede Strophe aus 6 Versen (also 2 x 3) besteht. Mit dem Unterschied natürlich, dass sich hier der jeweils "mittlere" Vers mit dem nächsten reimt. Ein schönes Muster.
In Strophe 2 ist dir mit den Endreimen sogar eine kleine "Besonderheit" gelungen, die ich gerne noch aufzeigen möchte:
Leben - Frucht - Reben
Luft - Flucht - Duft
Hier "umarmt" die Rebe (das Wachstum) gemeinsam mit dem Leben die "Frucht" und ebenso die Luft den "flüchtigen" Duft. Das ergibt ein schönes Bild!
Das Metrum ist übrigens gut, ich habe nichts zu "bemäkeln". Mir kam nur ein Gedanke, der mit irgendeinem "Fehler" wirklich gar nichts zu tun hat, es ist nur so eine "Idee":
Zitat:
entwerden lässt wie ein bewußter Wille.
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"'Entwerden" ist eine Wortschöpfung, die dir sicher gefällt - aber ich würde, um auch hier den "Kreis" von der ersten zur letzten Strophe zu "schließen", vielleicht doch "vergehen" in Betracht ziehen. Das ist aber, wie gesagt, kein Vorschlag, nur so ein Gedanke, der mir beim Lesen kam.
Gerne gelesen und kommentiert.
Liebe Grüße
Stimme