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Alt 17.11.2011, 19:16   #2
Stimme der Zeit
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Guten Abend, Gerd Flöhezimt,

"König Nobel", ja, natürlich: Reineke Fuchs, von Goethe. (Der wiederum von einem niederländischen Text in deutscher Bearbeitung inspiriert wurde; wer nun der wirkliche Verfasser der Fabel war, ist nicht eindeutig geklärt.)

Du hast hier die Tierfabel mit König Salomo und seinem bekannten "salomonischen Urteil" verbunden, und so eine "neue" Fabel daraus gemacht. Ich gebe aber offen zu, dass ich Salomo für gar nicht so "weise" halte, denn: Nicht jede Mutter liebt ihr Kind, nicht jede ist selbstlos (in den Medien gibt es immer wieder Berichte, bei denen sich mir der Magen umdreht ). Durchaus möglich, dass die echte Mutter (egoistisch und eifersüchtig) darauf bestand, das Baby zu zerteilen; während die andere vielleicht nur aus tiefem Schmerz den "Verstand" verloren hatte und das Kind im Zustand geistig-emotionaler Verwirrung tatsächlich für das eigene hielt, selbst wenn dem nicht so war. Nein, ich sehe das mit Salomo nicht so "einfach"; aber das nur "nebenbei".

Deine Fabel ist da beträchtlich "salomonischer". Der Gamsbock fordert - aufgrund eines echten "Unfalls" - den Tod des Steinbocks. Was leider in unserer "Menschen"welt auch zu beobachten ist. "Auge um Auge, Zahn um Zahn"; manchmal, in bestimmten Ländern, wird sogar noch der Tod anderer Familienmitglieder in Form von Blutrache gefordert, selbst wenn eindeutig klar ist, dass keine Schuld vorliegt, sondern wirklich nur ein Unfall ...

Daher erfüllt dein Gedicht die Kriterien einer Fabel, in der Tiere mit menschlichen Eigenschaften versehen als "Platzhalter" dienen und die eine "Moral" enthalten soll, sehr gut.

Wobei ich noch kurz erwähnen möchte, dass mich der "abstürzende Steinbock" ein wenig ins Grübeln brachte, denn aufgrund der besonderen Beschaffenheit ihrer Hufe sind gerade Steinböcke eigentlich besonders "trittsicher". Allerdings weiß ich nicht, ob das eventuell im Alter "nachlässt"; hast du deshalb von einem "alten Steinbock" geschrieben? Nur eine Frage, mir kam der Gedanke.

Formal möchte ich noch anmerken:

Zitat:
schlug aber der den Schädel ein,
doch brach sich selbst nicht mal ein Bein.
Er wurde, weil ja schuldig nicht,
auch freigesprochen vom Gericht,
Diese Strophe finde ich nicht so gelungen wie die anderen, hier sind doch recht viele Inversionen drin (bis auf Vers 2). Ein wenig "umgestellt", könnte es so aussehen:

schlug hierdurch ihren Schädel ein,
doch brach sich selbst nicht mal ein Bein.
Er wurde, weil ja schuldig nicht,
auch freigesprochen vom Gericht,

Die beiden letzten Verse brachten mich ins Grübeln, aber hier könnte ich keine Vorschläge machen, ohne den Sinn zu verändern (dabei kommt auch der darauf folgende 1. Vers von Strophe 3 noch hinzu), was mich davon absehen ließ. Aber vielleicht bringt dich mein Hinweis auf eine Idee.

In Strophe 3, Vers 2:

Zitat:
Der Mann der Gams, der Bock, indessen
und in Strophe 5, Vers 3:

Zitat:
Indessen", sagte er dem Alten,
hast du beide Male "indessen". In Strophe 3 ist das ein Endreim, daher würde ich vorschlagen, die Verdoppelung in Strophe 5 zu ersetzen. Ich überlegte, und fand als Alternativen "hingegen" (wodurch sich der Bedeutungsinhalt allerdings leicht verändert) oder "deswegen" (was der Bedeutung näher kommt, aber sprachlich nicht ganz übereinstimmt); daher nimm meine Vorschläge als Anregung.

Der vierhebige Jambus und die Paarreime passen für mich gut zu einer Fabel, denn ich finde, dieses Gedicht könnte auch sehr gut ein "Lehrgedicht" für Kinder sein.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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