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Alt 12.11.2011, 09:14   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Guten Morgen, Gerd Flöhezimt,

in diesem Gedicht "versteckt" sich einiges. Das gefällt mir besonders gut. "Wotans Heer", mir ist das ein Begriff. Es gibt verschiedene Überlieferungen, die mit dem Julfest zusammenhängen, der Vorläufer des Weihnachtsfestes. (Wobei der Zeitpunkt nach dem alten julianischen Kalender im 10. Monat lag, das wurde einfach auf den 12. übertragen.) "Die wilde Jagd", die sich mit Sturm, Hufgetrappel und dem Bellen von Hunden ankündigt. In dieser Überlieferung stellt Wotan den Totengott dar, der mit Totengeistern unterwegs ist - aber gleichzeitig auch die "Saat der Fruchtbarkeit" für den kommenden Frühling legt. Also nicht ausschließlich "negativ". Die nordische Mythologie ist faszinierend, denn vieles lässt sich darauf "zurückführen", es gibt sogar Ansichten, wonach die Gestalt von "Knecht Ruprecht" daraus entstammt. Wotan/Wodan war auch ein "heilender Gott". Interessant, dass du das hier im Gedicht mit "eingebaut" hast, ich wollte das gerne für andere Leser erwähnen.

Auch der inhaltliche Aufbau ist für mich beachtenswert, ein schöner "Bogen", der von der Beschreibung des ankommenden Winters über die Anwesenheit desselben führt, und trotzdem nicht außer acht lässt, dass die "Ahnung" des Frühlings, noch verborgen, ebenfalls "da" ist, denn die "Sonnenuhr" tickt.

Die Formulierungen halte ich für gut gelungen, es fällt mir beinahe schwer, ein Beispiel heraus zu suchen.

Zitat:
Im Eise wachsen blumige Figuren,
bizarr geformte, wilde Phantasien.
"Blumige Figuren" und "bizarre, wilde Fantasien", ein schönes Bild, geformt aus dem Kontrast der Sichtweisen.

Zitat:
Der erste Schnee blüht schon auf kahlen Zweigen,
doch in den Wurzeln tickt die Sonnenuhr.
Der "Schnee blüht" und in den Wurzeln "tickt die Sonnenuhr". Sehr schöne Metaphern, wirklich.

Auch ein Lob gebührt den unverbrauchten Endreimen, wie beispielsweise:

"Silberweiden - Blätter seiden", "Fantasien - Schauermelodien" oder "Sonnenuhr - Natur".

Jedes Gedicht besitzt kleinere Schwächen, aber in diesem Fall sage ich: Es stört mich nicht, ich genieße die poetische Sprache und die Bilder, die beim Lesen in mir entstehen. Seit ich in Lyrikforen "unterwegs" bin, ist dies erst das 4. Werk, bei dem ich das sage.

Bevor ich also in "Versuchung" gerate, etwas zu "zerreden", beende ich meinen Kommentar. Ich werde dieses Gedicht noch öfter lesen.

Liebe Grüße

Stimme
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