Thema: Nacht-Mahl
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Alt 10.10.2011, 09:23   #3
Stimme der Zeit
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Moin, Erich,

ich musste über larins "Wiesentaube mit Schwert" lachen, ich konnte nicht anders, also sei nachsichtig, wenn ich das einfach erwähnen muss ...

Jetzt aber zum Gedicht:

Zitat:
Ich gieße mir den Abend in den Becher
und trinke ihn in langen Zügen leer
und bin darin als treuester der Zecher
dem Dämmern hingegeben ohne Wehr.
Die ersten beiden Verse finde ich wirklich sehr schön, denn die Idee dafür muss man erst mal haben. Wobei mir, jetzt im "Nachhinein", einfällt, dass wir ja etwas "in vollen Zügen" genießen. Fein gemacht! Der Abend ist der "Tagesausklang", ich mag die Abenddämmerung auch sehr. Schließlich kommt man abends "zur Ruhe", das Tagespensum an Arbeit ist geleistet, es ist Zeit, "abzuschalten" und sich zu entspannen.

Zitat:
Die Nacht deckt mir die Sinnentafel kühle
mit Silber wie aus mondenhellen Flüssen,
nährt mich mit allem, was ich tiefer fühle
in ihren wiesentaubeschwerten Küssen.
Silbernes Mondlicht und nächtliche Sinnesfreuden - ja, darin kann viel tiefgefühlter Genuss liegen. Ganz besonders, wenn die "Tafel" mit "wiesentaubeschwerten" Küssen "gedeckt" ist.

Zitat:
Wir fallen tief uns in die offnen Wunden,
als wollten wir vergessen, dass die Zeit
verloren ist, die wir uns nicht gefunden
zu seltnen Augenblicken in der Ewigkeit.
Hier wechselt der Inhalt zum "wir". Das ist das Einzige, was mich inhaltlich ein wenig "irritiert", denn das kommt so "plötzlich". Es ist auch nur Strophe 3, in der es enthalten ist. Ansonsten ist das Gedicht "allein" aus der Perspektive des LI heraus geschrieben. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel, aber es wirkt eben, als ob das LD nur für - na ja, du weißt schon - "vorhanden" bzw. seine Gegenwart nur dann "wahrgenommen" wird. Das passt irgendwie nicht ins "Gesamtkonzept". Das LD als ein weiteres "Genußmittel"? Hm ...

Wobei das gegenseitige Heilen "offener Wunden", die der Tag "geschlagen" hat, sehr poetisch dargestellt ist! Die Strophe an sich ist gelungen, das "Finden seltener Momente in der Ewigkeit" eine schöne Vorstellung; nur im Zusammenhang mit den anderen bekommt sie einen "Beigeschmack" ...

Zitat:
Dann rauche ich den Morgen in der Pfeife,
lass Nebel steigen in den neuen Tag
und fasse, wo ich seine Seligkeit begreife,
der meinen nach, die er mir schenken mag.
Offen gestanden finde ich "Dann rauche ich den Morgen in der Pfeife" hier irgendwie lustig, aber ich verstehe durchaus, wie es gemeint ist. Hier symbolisiert es "Gelassenheit". Das LI erwartet den Tag, und ihm ist der Morgen gerade "herzlich gleichgültig", was offenbar nicht immer der Fall ist. (Wenn ich nachdenke, wirkt es so auf mich.) Der "Nebel" macht die "Konturen des Tages" weicher, dann kann man sich ihm leichter und mit einer positiveren Stimmung "stellen". Ein genussvoller Abend, eine genussvolle Nacht - und das LI ist noch "erfüllt" davon, so dass es dem "Alltag" wohl heiterer als sonst entgegensieht.

Was larins Anmerkungen zum Titel betrifft, nun, irgendwie hat sie recht. Von ihren Vorschlägen gefällt mir "Sinnen-Mahl" am besten, aber ich würde "Sinnes-Mahl" daraus machen. Als Vorschlag von mir: Wie wäre es mit "Sinnes-Tafel"? Das LI "isst und trinkt" ja von der "gedeckten Sinnentafel". Mir persönlich sagt nur "Sinnen-" als Titel nicht so zu, ich würde "Sinnes-" wählen. (Im Gedicht dagegen finde ich es durchaus passend.)

Gerne "mitgetafelt" und gerne kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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