Insgesamt ein schönes Sonett. Mir gefällt besonders das Thema, es ist auch metrisch schön umgesetzt.
Was die Form des Werkes angeht, mag ich vor allem die jambischen Sechsheber, weil sie – ungeachtet der Tatsache, dass die Zäsuren nach der sechsten Silbe jedes Verses fehlen – an das das deutsche Barocksonett erinnern. Es hätte zwar insofern gepasst, als dem Sonett durch seine Beschäftigung mit den Merkmalen des Alterns ein gewisser (leicht satirischer)
memento mori-Unterton anhaftet. Allerdings hätten sie dem Sonett auch eine gewisse Steifheit verliehen, die den wunderbar locker und frei dargebotenen Inhalt konterkariert hätten. Da Du Dich keiner Inversionen oder eines starken Hakenstils bedienst, wirkt das Sonett selbstironisch, was Dir meiner Erachtens sher gut gelungen ist.
Zum Inhalt habe ich einige kleinere Anmerkungen:
Zitat:
Ich schweige mich beim Kämmen an, sag nichts, bin still
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Ich werde das Gefühl nicht los, dass die von mir fett markierte Redundanz dem Versmaß geschuldet ist und nicht als Stilmittel gedacht war. Man hätte das etwas eleganter lösen können, indem man einen anderen Aspekt (z.B. einen zeitlichen) untermischt. So verwässert man die Aussage zwar auch ein wenig, aber etwas unauffälliger:
Zitat:
Ich schweige mich beim Kämmen immer an, bin still[/B]
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Das ist meiner Erachtens wunderbar:
Zitat:
Und mühe mich vergeblich ab, nicht zu beachten,
Was mir brutal ins Auge springt: die neuen Falten,
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Das Enjambement gefällt mir, weil es wunderbar die Sinneinheiten ineinander überfließen lässt.
Zitat:
Der Bube, der dort starrt, der war mal jung und smart.
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Das ‚smart‘ scheint mir hier dem Reimzwang geschuldet zu sein, denn das Alter macht ja bekanntlich weiser. Zumal will mir dieser Anglizismus nicht recht in das schöne Werk passen. Es wirkt irgendwie fehl am Platze.
Zitat:
Jetzt kann er, flucht er, bald nicht mehr das Wasser halten.
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Schöner Einschub! Die Perspektive ist meiner Meinung nach sehr gelungen.
Fazit: trotz meiner Nörgelei halte ich das Sonett für gelungen.
(Nebenbei, ich bitte darum, meine fehlenden Grüße zu Beginn und am Ende jedes meiner Beiträge nicht als unhöflich zu interpretieren. Ich bin einfach der Meinung, dass man sich, wenn man sich nicht einmal ‚in echt‘ begegnet, derlei Ritualen nicht hinzugeben braucht.)