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Alt 07.09.2011, 07:11   #4
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Guten Morgen, Thomas,

da ich heute wieder etwas anders arbeite, daher habe ich mir etwas Zeit für dieses wichtige Thema genommen.

Ich lese dein Gedicht mit Traurigkeit und mit Zorn. Du hast in dem Sinne recht, dass es wichtig ist, nicht zu vergessen, was ständig so geschieht. Tatsache ist, dass es nicht geschehen sollte.

Wie Faldi muss ich Zynismus eingestehen, denn es sind die Erwachsenen, die in globalem Umfang für das Geschehen sorgen.

Der Ursprung der Problematik liegt tiefer begründet als in den sichtbaren bzw. unmittelbaren Auswirkungen. Fakt ist: Kinder sollten so nicht sterben müssen! Aber es wäre falsch, die "Schuld" in unserem Überfluss zu suchen.

Es beginnt mit der Frage: Warum haben wir (zu viel) und andere fast nichts? Hier liegt die "Wurzel des Übels" im Denken des Großteils der Menschheit, die das Prinzip "Teilen" mit einem Kopfschütteln betrachtet und "schön dumm" sagt. Deren Ego meint: Haben, haben, meins; sowie "mehr, mehr, mehr!" Es kann nie genug sein. Leider endet es im realen Leben nicht wie im Märchen von Mann und Frau im Essigkrug ...

Es geht weiter. Was bewirken Spendengelder - so sie denn überhaupt ankommen, was, wie Faldi sagt, wohl häufig nicht der Fall ist, da stimme ich zu. Zu viel "versandet" in der "Organisation der Hilfsorganisation", was übrig bleibt, landet in den Händen diktatorischer oder korrupter Regierungen bzw. Beamter. Auch hier bin ich zynisch, denn m. E. nach kommt, mit "Glück", vielleicht ein Viertel der Ursprungssumme tatsächlich "an". Was aber bewirkt das Geld? Lediglich die Linderung dessen, was ich als das "akute Elend" bezeichnen möchte. Weshalb aber existiert diese Not? Ich greife ein einzelnes Beispiel heraus: Die Felder vertrocknen. Gut, Dürre wird vom Wetter ausgelöst. Warum gibt es nicht die Möglichkeit, zumindest im für ein Überleben notwendigen Umfang, die Felder zu bewässern? Weil die Menschen dort nicht über das Wissen verfügen, das sie bräuchten, um einer Dürre so begegnen zu können, dass ein Überleben trotzdem möglich ist.

Ich beginne "ganz von vorn". Zunächst müssten tatsächlich "Lehrer" ausgeschickt werden, die ihnen beibringen, was ein Fruchtwechsel ist und warum ein Feld auch "brachliegen" sollte. (Ich bin kein Landwirtschaftsexperte, also stelle ich es allgemein dar, was, so hoffe ich, genügt, um die Problematik zumindest grundlegend darzustellen.) In von Dürren betroffenen Ländern liegt der Grundwasserspiegel (so vorhanden) sehr niedrig, also müssten Gelder her, um tiefe Brunnen zu graben. Dazu bräuchte man entsprechende Pumpsysteme. Diese Pumpen müssen danach aber auch gewartet und ggf. repariert werden. Also ist auch dieses Wissen für künftige Autarkie notwendig. Es bräuchte auch "unterrichtende Techniker". Dazu noch landwirtschaftliche Experten, um die Auswahl der Pflanzen möglichst gut den Gegebenheiten anzupassen. Eine Anpflanzung mit hohem Wasserbedarf wäre unsinnig. Dann sind wiederum Bewässerungsexperten nötig, die den Menschen beibringen, wie man künstlich bewässert, d. h. z. B. Bewässerungsgräben anlegt. Und, und, und ...

Ach ja, wo wir schon einmal dabei sind, ändern wir dann bitte auch das Weltwirtschaftssystem, damit eine Ernte im Verkauf auch ausreichend Geld einbringt ...

Dann vermitteln wir bitte den Menschen dieser Länder noch einen ausreichenden Bildungsstand, damit sie überhaupt die Voraussetzungen besitzen, zu verstehen, was ihnen beigebracht werden soll.

Nehmen wir dazu noch eines meiner "Reizthemen", das Faldi angesprochen hat: Warum sind Frauen in vielen Ländern "Gebärmaschinen"? Nun, weil es keine Altersversorgung gibt, kein soziales Netz und keine Geburtenkontrolle. (Letzteres hat Faldi erwähnt.) Wobei wir wieder beim Thema Religion angekommen sind, das ich hier aber nicht vertiefen möchte, da mir sonst das sprichwörtliche Messer in der Tasche aufgeht. Diese "Wohltätigkeitsorganisationen" kümmern sich hauptsächlich um das Seelenheil - Hauptsache getauft, dann kann ein Kind ruhig verhungern, das macht doch nichts, es kommt direkt in den Himmel!!! Und Verhütung ist verboten! Seid furcht- äh, fruchtbar und mehret euch! AMEN!

Dann nehmen wir noch die despotischen Regierungssysteme, wie Diktaturen o. Ä. Was kommt dann "unter dem Strich" dabei heraus? Die Kinder sterben.

Faldi hat auch in dem Sinne recht, dass die Kindersterblichkeit stark gesunken ist. Aber, und das ist das Problem - es macht das Elend nur schlimmer, denn wir vermehren uns ständig, und Alle wollen in dem ungerechten und uneffektiven System, das wir Menschen uns ausgedacht haben, auch mit den "Lebensnotwendigkeiten" versorgt werden. Für eine Zahl von ungefähr 12 Milliarden kann (theoretisch) eine "Grundversorgung" möglich sein, was darüber hinaus geht, kann unsere Erde nicht mehr tragen. Ergo wird die "Besserung" dann wieder kippen.

Fazit: Die Menschheit müsste ihr Denken und ihre Einstellung komplett ändern, um dem Schrecken und dem Elend ein Ende machen zu können.

Wer aber wäre bereit, sich zu begnügen? Wer würde auf Bequemlichkeit freiwillig verzichten, wenn er sie doch haben kann? Welcher Mensch denkt nicht zuerst an sich, dann an seine unmittelbare Familie, dann an sein engeres Umfeld und danach erst an den "Rest"? Menschen sind, was sie sind, lieber Thomas. Zum größten Teil ein Haufen verantwortungsloser, egoistischer, fanatischer und tiefreligiöser Dummköpfe.

Was die ersten beiden Fakten hinsichtlich des menschlichen Charakters betrifft: Den Schuh muss ich mir auch anziehen- und ich bin von Zeit zu Zeit gezwungen, mich selbst einen Dummkopf zu nennen. Auch ich werfe Lebensmittel weg, denn ich bin manchmal achtlos, auch mir läuft ein Haltbarkeitsdatum hier und da mal ab. Und ja, ich habe dann ein schlechtes Gewissen und ärgere mich über mich selbst. Aber: Ich verzichte auf "Festbeleuchtung" aus Bequemlichkeit, kaufe so viele Ökoprodukte, wie ich mir leisten kann, habe meinen Fernseher abgeschafft und erwerbe (abgesehen von Schuhen) meine Kleidung schon seit Jahren ausschließlich Second-Hand und verzichte auf ein Auto. Ich dusche, anstatt zu baden. Aus Prinzip. Ich bin manchmal gedankenlos und oft nachlässig (was nicht dasselbe ist), aber ich weigere mich, mir Dinge anzuschaffen, nur weil mir gesagt wird, dass ich diese unbedingt haben muss (Reklame und gesellschaftlicher "Status")! Ja, ich muss selbst ebenfalls leben, jeder Mensch hat das "Recht" dazu. Die Crux ist, dass wir zunächst Dinge erfinden und Systeme entwickeln, von denen wir uns dann prompt abhängig machen. Der Wunsch nach größtmöglicher und schneller Mobilität ist nur ein Beispiel davon. Also muss man Kompromisse schließen. Es geht gar nicht anders.

Was also tun? Wir sind nicht perfekt, aber wenn jeder nur ein bisschen nachdenken und entsprechend handeln würde (muss man denn unbedingt in einer Familie drei Autos haben?), dann könnten sich die Dinge wenigstens ein bisschen ändern. Wäre "erst denken, dann handeln" zu viel verlangt? Mir gelingt das, ich bin ehrlich, selbst nur bedingt. Aber gar nichts tun ist falsch. "Gut" wird alles niemals werden, dafür dürften wir Menschen nicht so sein, wie wir sind. Aber wir sind es ...

Ja, Faldi. Das ist die Wirklichkeit!

Gerne (und ungern) gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (07.09.2011 um 08:52 Uhr) Grund: Eine kleine Ergänzung.
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