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Alt 24.08.2011, 15:23   #1
Löwenzahn
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 03.12.2010
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Standard Der heilige Schlaf

Mühsam schuf Eusebius Klüste
seine Oper "Heilger Schlaf".
Diese gibt man in der Knüste -
Abonnenten kommen brav.
Schicke Roben, teure Sohlen,
niemand spart beim Kleiderkauf.
Nicht nur in den Metropolen
putzt der Mensch sich hierfür auf.

Overtüre überstanden -
alle harren auf ein Mehr.
Anfangs ist Elan vorhanden,
jedoch bald fällt Wachsein schwer.
Die Musik ist eine zähe,
Krause fragt noch nach dem Sinn,
doch Herrn Knust, in nächster Nähe,
rafft der heilge Schlaf schon hin.

Herr Geheimrat Wilhelm Kesser
wagt sich weit gedanklich vor:
"Welches stumpfe Künstlermesser
bohrt sich in mein Kenner-Ohr?"
Ach, am liebsten würd er zanken,
denn er liebt nur Mozart, Bach,
doch dann wird bei dem Gedanken
er in Morpheus Armen schwach,
sinkt in Richtung Fräulein Buse,
fällt in ihren Ausschnitt, tief.
Seelig schnarcht er in der Bluse -
schlimm, wenn sie nicht auch schon schlief,


doch die pfeift durch die Polypen,
was das Flötenspiel ergänzt.
Auch den Müller hört man piepen,
weil er längst schon geistig schwänzt.
Dieser rutscht, in Raumes Hitze,
schlafestrunken, wie ein Blitz
und pennt heiter, unterm Sitze,
sich verkrallend in den Schlitz
an dem Rock von Lise Kimpern,
die solch Tat nur nicht verdross,
weil ihr Morpheus ihre Wimpern
schon vor einer Stunde schloß.

Müllers Ehgespons, Mathilde,
schaut dem "Heilgen Schlaf" noch zu,
sieht den Gatten, ist im Bilde,
denkt : "Na, warte, Lüstling, du!
An solch jungen Weiberbeinen
deine greise Herren Hand -
das gibt Ärger, will ich meinen!"
doch schon wird sie übermannt
von dem Blei in ihren Lidern,
diesem heilgen Schlaf, der groß
und fällt ungeniert dem biedern
Herrn Polonius in den Schoß

und auch jener weilt schon lange
nicht in der realen Welt -
ihm ward klar, beim ersten Klange,
dass dem Schlummer er verfällt.

Auf der Bühne das Finale:
Riesentrommelwirbel schlägt
gen die müden Köpfe, alle -
Huch! nun hat sichs ausgesägt!
Jäckchen zupfen, Röckchen glätten,
bei dem Vorhang, der jetzt fiel,
"Bravo!!!!" rufen, tun als hätten
alle Spaß am Bühnenspiel.

Und dann ab zur nächsten Schänke,
seinen Mund ins Pils getunkt
und palavern - man bedenke:
"Kultureller Höhepunkt!"

Geändert von Löwenzahn (27.08.2011 um 11:32 Uhr)
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