Thema: Reflexion
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Alt 19.08.2011, 11:54   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Guten Morgen, Faldi,

ich habe zwei "Spiegelgedichte" geschrieben, die beide "Ich und Du" enthalten. Das Problem hier ist der verflixte Texteditor, die vertikale Achse konnte ich leider nicht optisch darstellen, deshalb auch mein Nachsatz. Auf die Idee brachte mich ein Spiegelgedicht von Friederike Kempner.

Zwei Achsen und zwei Betrachtungsweisen. Warum wundert es mich nicht, dass gerade du die Fähigkeit besitzt, das zu "durchschauen"?

Zitat:
Wir haben hier ein LyrIch und ein LyrDu.
Ganz genau. Hier die "Innenwelt", im anderen Werk die "Außenwelt".

Zitat:
Auf den ersten Blick erscheint es, als sei das LyrIch bei der Betrachtung seines Spiegelbilds in einen Monolog mit demselben getreteten.
Doch halt, womöglich will die Autorin uns aufs Glatteis führen, der Titel spricht von einer Reflexion, die physikalisch zwar eine Spiegelung sein kann, aber philosophisch auch das prüfende und vergleichende Nachdenken, besonders über eigene Handlungen, Gefühle und Gedanken.
Ein Besinnen, ein Nachdenken also, was ja nun doch wieder das Spiegelbild nicht ausschließt, zumal der Text selbst ja auch gespiegelt (s.o.) wird.
Doch ich bleibe skeptisch, denn die erste Zeile "Du bist nicht ich und ich bin nicht du." leitet den Text ein, so daß ich davon ausgehen sollte, daß es sich u. U. doch um zwei gänzlich verschiedene Individuen handelt, von denen eines eine These aufstellt.
Nun, dies schließt das Spiegelbild wieder nicht aus, so daß mir wohl nichts anderes übrigbleibt, als mich dem Thema von zwei Betrachtungsweisen aus zu nähern.
Vollkommen richtig. Das Spiegelbild ist eben nicht "Ich", sondern nur meine Vorstellung von mir (bzw. dem, was ich im Spiegel sehe - oder sehen will). Jedenfalls ist es irgendwie auch eine Art "Du" ...

Außerdem: Mit Sicherheit ist auch meine geistige Vorstellung dessen, was ich als mein "Ich" betrachte, das, was ich mir darunter vorstellen will. *Lächel* Kann ich mir mein "Ich" überhaupt vorstellen oder ergibt sich daraus automatisch bereits im Moment der Vorstellung ein Abbild meines "Ichs" - also ein "Du"? Jedenfalls kann ich unmöglich Betrachter und Betrachteter gleichzeitig sein - oder?

Ja, ein bisschen philosophisch, stimmt.

In deinen beiden Varianten stößt du jeweils auf eine "Unstimmigkeit". Nun ja, die Vorstellungswelt ist nicht identisch mit der objektiven Wirklichkeit (wobei man sich darüber streiten könnte, was sie ist oder ob es sie überhaupt gibt), sondern nur eine subjektive Wirklichkeit. Eine Mischung aus dem, was wir sehen und hinzugefügten Bestandteilen, die unser Gehirn der Erinnerung "entnimmt". Wahrnehmung ist nie ein reiner, augenblicklicher Sinnesvorgang, sondern immer beides. So entstehen auch die sogenannten "Déjà-vu - Erlebnisse", denn die Erinnerung kann trügen. Daher dürfen wir auch getrost bezweifeln, dass wir tatsächlich sehen was wir sehen ...

Zitat:
Ich bin mir nicht mal sicher, ob Du nicht nur in meiner Vorstellung existierst.
Können wir uns sicher sein, ob Du nicht nur in deiner Vorstellung existierst? Oder in meiner? Bin ich "wirklich" oder eine Vorstellung? Deine, meine, unsere?

Was sehe ich im Spiegel?

Zitat:
Irgendwie fühle ich mich jetzt selbst horizontal und vertikal gedreht, also gespiegelt, aber ich könnte mir vorstellen, die ein oder andere Intention dieses Textes entschlüsselt zu haben.
Mich hat das Nachdenken beim Schreiben auch ein wenig "ge- bzw. verdreht". Aber deine Vorstellung bezüglich der einen oder anderen Intention stelle ich mir als richtige Entschlüsselung vor.

Zitat:
Er ist, wie dargelegt, auf zwei Ebenen interpretierbar, wobei beide allerdings nicht ganz widerspruchsfrei ausgehen.
Auf jeden Fall ist er durchdacht und in sich, auch durch den gesamten Aufbau, eine in sich geschlossene Spiegelung.
Zum Teil in den einzelnen Versen selbst, wie auch untereinander.
Vielleicht ist es auch die Reflexion einer Reflexion.
Wer weiß das schon zu sagen?
Zum einen Teil: Dankeschön!
Und zum anderen Teil: Ich weiß es jedenfalls nicht zu sagen ...

Das ist das Problem. Je weiter ich eine Thematik durchdenke, desto weniger verstehe ich, was ich da eigentlich denke. Oder was ich mir eigentlich dabei gedacht habe, mir so etwas Verwirrendes auszudenken.

Zitat:
Gerne gelesen, darüber nachgedacht und kommentiert...
Herzlichen Dank dafür!

Liebe Grüße

Stimme
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