Thema: Rosenstolz
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Alt 23.06.2011, 13:16   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, Walther,

dieses Sonett gefällt mir gut, allerdings bin ich nicht sicher, ob ich den Inhalt richtig verstehe. Ich lege es einfach so dar, wie ich es "verstehe".

Meiner Meinung nach handelt es sich hier entweder um eine "einseitige" Liebe oder, was ich eher vermute, um ein LyrIch, das an der Wahrhaftigkeit der Gefühle des LyrDus große Zweifel hat. Beide scheinen seit längerer Zeit zusammen zu sein. Weshalb die "Betonung" auf: Es spricht nichts gegen diese tiefe Liebe?

Offenbar sieht das LyrIch keinen Grund bzw. kein Hindernis, weshalb diese Liebe nicht sein sollte. Stellt der "warme Hauch" nur das eigene Empfinden dar? Emittiert keine Wärme von Seiten des LyrDu?

Der "Alltag" lässt die "Worte altern", glaubt also das LyrIch, es hätte sie schon zu oft verwendet, und fürchtet, das LyrDu könnte ihnen mittlerweile keinen Glauben mehr schenken?

Zitat:
Du würdest mir doch glauben, wenn ich schriebe,
Dass ich Dich immer liebe? Dass ich bliebe,
Wenn keiner bleibt?
Hier "empfange" ich beim Lesen ein starkes Gefühl der Unsicherheit, ja, beinahe Ängstlichkeit.

Offensichtlich wird befürchtet, der Partner/die Partnerin könnte "verloren werden". Ein "Überzeugungsversuch", denke ich.


Zitat:
........................Der alte Rosenstrauch,
Mein Schatz, treibt neue schwere Blüten,
Schlägt aus dem schartig harten Wurzelholz -
Selbst wenn die Winterwinde eisig wüten,
Der "alte Rosenstrauch" symbolisiert m.E. nach den "Grundstock" der Liebe, die Liebe selbst ist der "Schatz", denn er treibt auch nach einem "eisigen Winter mit wütenden Winden" neue Blüten, selbst wenn das "Holz" im Laufe der Zeit "schartig und hart" geworden ist. Was mich wieder an das (vermutete) Verhalten des LyrDu denken lässt.

Zitat:
Bleibt diese Rose kämpfend schön und stolz:
Ihr Laub ist kraftvoll und so scharf ihr Dorn!
Ich habe mich an sie, an Dich, verlorn!
Für mich ist hier wieder die Rede vom LyrDu, symbolisiert durch die Rose. "kämpfend", "schön", "stolz", "kraftvoll"- und mit "scharfem Dorn" ausgestattet. Das scheint mir eine sehr starke und unabhängige Persönlichkeit zu sein, wahrscheinlich sind es diese "Eigenschaften", die im LyrIch Befürchtungen erwecken.

Gleichzeitig dient diese Metapher auch der Darstellung des Wesens der Liebe selbst, denn: Es scheint eine starke, aber auch verletzende Liebe zu sein. Diese Rose hat Dornen ...

Das LyrIch hat sich selbst "verloren", sowohl an die Liebe als auch an das LyrIch. Ist er/sie bereits so "abhängig", dass es den Verlust so fürchten muss? Kann er/sie nicht mehr "ohne" sein?

Ein emotional sehr komplexes, tiefsinniges Liebesgedicht, das du hier geschrieben hast. Aber mit Wörtern und Bedeutungsebenen kannst du ja sehr gut umgehen, wie ich im Laufe der Zeit bereits bemerkt habe.

Ebenso gefallen mir die gut platzierten Enjambements, die Alliterationen, die Assonanzen und, vor allen Dingen, dein gekonnter Umgang mit Vokalen. In Strophe 1 hast du in Vers 1 und 3 nur die Vokale e, i, und ie. "Diese tiefe Liebe" () umarmt den "Zweifel", meine Hochachtung vor deinem Können, wahrscheinlich erkenne ich nicht alles. Von einigen stilistischen Mitteln weiß ich wohl auch den Namen (noch) nicht. In diesem Bereich gibt es für mich noch viel zu lernen, aber das Lesen deiner Gedichte ist ein guter "Unterricht".

Da ich, bei dir mittlerweile leseerprobt, nicht mehr von Fehlern ausgehe:

Weshalb geraten in den Terzetten sowohl die Silbenzahl als auch Reimschema und Kadenzen "aus dem Takt"?

1. Strophe: abba - 11/10/10/11 Silben, Kadenzen: wmmw
2. Strophe: baab - 10/11/11/10 Silben, Kadenzen: mwwm
3. Strophe: cdc - 9/10/11, Kadenzen: wmw
4. Strophe: dee - 10/10/10, Kadenzen: mmm

Ich vermute, das steht im inhaltlichen Zusammenhang, dennoch komme ich nicht ganz hinter deine Intention.

Es wirkt ein wenig "unharmonisch", obwohl mmm in der letzten Strophe doch eher auf "Harmonie" hindeutet.

Möchtest du die Widersprüchlichkeit unterstreichen? Vor allem die Bedeutung der 9 Silben erschließt sich mir nicht, denn dort sind es auch nur 4 Hebungen - das "empfinde" ich als, nun ja, irgendwie "störend", da die Struktur ansonsten einwandfrei ist. Andererseits kannst du damit auch genau diese Reaktion beabsichtigt haben, das weiß ich natürlich nicht. Erklärst du es mir?

Eine kleine "Anmerkung" habe ich aber doch: "verlorn" und "Dorn".

Auf jeden Fall: Sehr gerne gelesen und durchdacht.

Dämonisch liebe Grüße

Stimme
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