Thema: Leben
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Alt 17.06.2011, 09:18   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Stimme, Dana!

Hier zeigt sich eine grundsätzlich unterschiedliche poetische Intention. Während bei dir das Reimschema nur ein weiteres Mittel darstellt, eine Aussage oder Stimmung zu kolportieren oder zu transportieren, steht bei mir IMMER die Schönheit der Sprache selbst im Mittelpunkt, nach dem Motto: Egal, was du aussagen willst, sag es vor allem: SCHÖN!, denn das macht Dichtkunst für mich überhaupt erst aus, das verleiht ihr Bedeutung über die Jahrhunderte hinweg, wenn die gesellschaftspolitischen oder philosophischen Gründe für unsere Zeilen und unsere Gefühle dahinter längst mit uns zu Staub zerfallen sind!

Die Schönheit, der Zauber der Sprache erst macht ein Gedicht unsterblich, wird Teil des Volksgedächtnisses. Viele Dichter haben dies heutzutage vergessen und verwenden die Sprache wie einen x-beliebigen Baukasten. Aber so funktioniert es nicht!
Sprache greift so tief in uns und bewegt soviel mehr als das, was unser oberflächlicher Verstand vorerst wahrnimmt! Gerade bei der Dichtkunst wird ein zu vermittelnder Inhalt erst durch die Wertigkeit der Präsentation bedeutsam. Ein beliebiges Geschreibsel rührt uns sicher nicht zu Tränen, wie gerecht und erhaben sein Anspruch auch sein mag! Erst die Magie der schönen Sprachhabung macht das Besondere, dem die Leute gern lauschen, weil es sie nachgerade hypnotisiert. Auch wenn die Wirkung sich erst nachhaltig entfaltet, erinnert der Hörer sich an das Schöne lieber als an den "Schrei", und denkt viel länger daran. Kurzfristig mag man fasziniert sein vom Gepluster moderner "Dichtung", aber auf lange Sicht ist es die schlichte Schönheit der Sprache, die überdauert.

Sieh nur, was heute hauptsächlich noch gelesen wird: Die sog. Klassiker! Interessiert irgendjemanden noch - von spezifischen Doktoranden abgesehen - der damals aktuelle Grund für ein bestimmtes Werk? Wohl eher nicht. Nein, das Gedicht steht für sich selbst, wuchs lange schon über seinen ursprünglichen Zweck hinaus und ließ ihn hinter sich.

In diesem Sinne versuche ich meine Dichtung. Ich respektiere durchaus eine andere Sichtweise - manchem mag die "Wirkung" wichtiger sein als der Anspruch auf Dauerhaftigkeit der Sprache selbst - aber es ist eben nicht die meine.
In diesem Sinne versuche ich, ein gutes Gedicht zu einem besseren zu machen - nach meiner Sicht, klar. Es bleibt auch den Autoren überlassen, inwieweit sie sich dieser Sicht anschließen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies allgemein eher selten der Fall ist, und dennoch - ich kann nicht anders. Und wenn ich es nur für mich selber tue: Ich will es zumindest einmal so lesen können, wie ich glaube, dass es gehört. Das ist keineswegs als Herablassung zu verstehen, es ist einzig meinem Perfektionismus geschuldet, der allem sozusagen "den letzten Schliff" geben will, ohne über die persönlichen Befindlichkeiten des Autors lang nachzudenken.

Deshalb entschuldige ich mich auch schon beinahe im selben Atemzug für meinen Eingriff.
Wie das Gedicht nun "sein MUSS", damit es "gut" ist, bleibt letztlich dem Geschmack und der dichterischen Größe des Schreibers überlassen, wobei letzeres ja wiederum nur im Auge des jeweiligen Betrachters liegt!
Aber dafür gibt es diese Foren, oder? Um aufzuzeigen, um anzuregen, um seine Meinung und Überzeugungen zu vertreten, und um diejenigen anderer zu hören, um die eigenen zu erweitern. In diesem Sinne....

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (24.06.2011 um 07:47 Uhr)
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