Hallo, eKy
,
ist dir klar, dass hier im Forum noch keines deiner Gedichte unkommentiert geblieben ist? Außer diesem hier. Deshalb greife ich sofort zu und nutze die Gelegenheit.
Eines möchte ich vorab sagen: Deine Sicherheit in der Wahl passender Metaphern ist ,meines Erachtens nach, beneidenswert. Jedenfalls für mich, denn genau daran mangelt es mir manchmal.
Dieses Gedicht hier ist ein gelungenes Beispiel für die Richtigkeit meiner Einschätzung. Jedes von dir erzeugte Bild ist in sich stimmig, die Übergänge fließend. Hier wird für mich die beschriebene Atmosphäre lebendig, die Natur "atmet".
Es ist eines der Gedichte, die ich nicht analysieren, sondern auf mich wirken lassen möchte. Ich kann das ganz besondere Licht des Abends "sehen", wie es durch die Kronen der Bäume schimmert, kurz, bevor die Sonne untergeht. Ich kann "sehen", wie es am Boden aus die von Blüten bedeckten Stellen fällt und die Farben noch einmal aufleuchten lässt. Ebenso "höre" und "sehe" ich den murmelnden Bach, während die Dämmerung (das Ahnen) kommt, als (zärtliche) Ankündigung der Nacht. Hier wird die Schönheit dieses Zeitraums so anschaulich beschrieben, dass vor meinem geistigen Auge selbst die dunkle Umrandung der Wolken und auch die wandernden Schatten sichtbar sind.
Lediglich zwei Stellen, die meiner Meinung nach, sehr gut gewählt sind, machen daraus noch etwas Anderes als eine Naturbeschreibung.
Zitat:
und allem Sichversehnen, das uns tiefer macht
|
Hier taucht zum ersten Mal ein Wort auf, das dem Ganzen eine weitere Betrachtungsmöglichkeit verleiht: uns. Das bringt "den Menschen" als Beobachter ins Spiel, wobei hier noch nicht die Rede von einer bestimmten Person ist. Beim Lesen empfand ich es beinahe wie einen Blick aus zwei Perspektiven gleichzeitig.
Zitat:
erwacht mein Geist und will sein Leben ändern.
|
Erneut eröffnet sich etwas Neues. Jetzt taucht ein LyrIch auf, und damit buchstäblich noch eine dritte Perspektive. Vom "Sein" zum "Allgemeinen" gefolgt vom "Persönlichen". Dadurch bekommt das Gedicht eine weitere Bedeutung, denn nun können die Naturmetaphern auch als eine "Lebensbeobachtung" angesehen werden. Wenn es im Leben des LyrIchs "Abend" wird, und die "Nacht" nicht mehr fern scheint, dann erfolgt hier ein Moment der Besinnung. Vieles, was vielleicht zuvor Fehler oder Irrtum war, wird erkannt. Es entsteht der Wunsch, das Leben zu ändern - bevor es dafür zu spät ist.
Eine Anmerkung möchte ich zum Schluss noch machen. Wenn du tatsächlich nicht "ixt", dann erstaunt mich deine Sicherheit in den Betonungen.
Ein "Häkchen" fand ich dennoch, aber es muss nicht unbedingt geändert werden:
Zitat:
nährt sich schon Abendkühle und erlangt Gewicht.
|
"
nährt sich
schon". Von der Silbenwucht her bin ich hier in den Trochäus "gerutscht".
Vielleicht möchtest du noch einmal über diesen Versbeginn nachdenken?
Sehr gerne gelesen!
Lieben Gruß
Stimme der Zeit