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Alt 10.04.2011, 12:25   #6
Stimme der Zeit
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Hallo, Falderwald,

diesen Faden musste ich ausgraben. Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, und was passiert?

Vielleicht sollten wir am "Eingang" unsere Landes ein Schild aufhängen: Selbstbedienungsladen. Greift nur zu!

Wohin das Geld verschwindet? Das wüsste ich wirklich gerne. In allen Nachrichten heißt es, die deutsche Wirtschaft boomt. Ich denke, die ehrenwerten Damen und Herren Politiker haben da etwas falsch verstanden, denn: Wo bessert sich denn etwas? Die mit 1-Euro-Jobs extrem geschönte Arbeitslosenstatistik kann wohl kaum als realistisch betrachtet werden - wo sind die Arbeitsplätze?

Meine Großmutter sagte, ein jeder kehre vor seiner eigenen Tür ...
Damit hatte sie absolut recht. Wir sind der "Geldbeutel" Europas, noch immer. Was bleibt denn für uns selbst übrig? Verzichten, soziale Kürzungen und Kinderfeindlichkeit. Die Wirtschaft blüht, aber Geld ist keins da. Wo versandet es?

Ja, helfen ist in Ordnung, wie z.B. in Japan. Naturkatastrophen sind etwas vollkommen Anderes. Wir bemühen uns aber statt dessen so sehr, jeder maroden Wirtschaft in Europa beizustehen, wobei in Berlin offenbar nicht bemerkt wird, dass wir dadurch allmählich selbst den Bach runtergehen.

Ich arbeite in einem Sozialunternehmen. Die Abteilung wurde jetzt auf die Hälfte reduziert, da staatliche Zuschüsse drastisch gekürzt wurden. Ein Unternehmen, das keine Gewinne machen darf, kann ohne diese nicht existieren. 1-Euro-Jobs sind nicht richtig, aber diese jetzt im ad-hoc-Verfahren ohne irgendwelche Alternativen wegfallen zu lassen, ist wie immer ein Zeugnis der Unfähigkeit. Kommt dann das "böse" Erwachen, wird wieder ein "Hopplahopp-Notfall-Plan" zusammen geschustert, der, wie der 1-Euro-Job selbst, nicht wirklich funktioniert. Früher gab es "bezuschusste" Arbeitsplätze, die eine Hälfte zahlte der Staat, die andere Hälfte das Unternehmen. Weg. Statt dessen kam der 1-Euro-Job. Was wird dann kommen?

Mir kommt das Ganze wie ein "Hüpf-von-einer-Notlösung-zur-Nächsten" - Spiel vor, über unsere Köpfe hinweg. Glaub mir, ich sehe Schicksale, die sind nur zum Heulen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich guten Gewissens sagen: Sozialschmarotzer-Quote im Vergleich zu verzweifelt auf Arbeit hoffenden Menschen: 1:50. Mindestens. Wenn ich die "zu Alten" und durch Krankheit mit Handicaps versehenen Leute dazuzähle, komme ich auf 1:100.

Ich treffe Leute, die im Sozialstaat Deutschland nur mit privaten Spenden zu einer dringend notwendigen Zahnsanierung oder Brille kommen. Hier ist es besser, als in Amerika? Das sehe ich nicht mehr so. Ich bin "direkt dran", spreche nicht von Dingen, die ich in den Medien vorgeflunkert bekomme. Menschen werden zuerst durch eine Krankheit bestraft, dann straft die Wirtschaft sie für eben diese mit dem Verlust der Arbeit und schließlich bestraft der Staat sie für Beides. Es lebe die Pseudo-soziale Möchtegern-Demokratie, die jeden Monat im Hartz-IV-Regelsatz ein paar !Cents! zuschießt, damit (bei Sparen von Geburt an) einem Kind im Alter von 10 Jahren dann für 51 Euro ein Fahrrad gekauft werden soll. Das ist absurd. Und nur ein Beispiel. Jetzt werden im Zuge dessen einem Hartz-IV-Empfänger nicht einmal mehr das Minimale an Rentenbeiträgen gewährt. Weg sind sie.

Dein Gedicht hat auf mich eine tiefe Wirkung ausgeübt, ich musste das einfach mal loswerden. Fakt ist: Es gibt Geld. Nur nie für etwas, das wichtig oder richtig wäre, von notwendig ganz zu schweigen. Ein Obdachloser bekommt keine Arbeit, wenn er keinen festen Wohnsitz hat, und ohne Arbeit bekommt er keine Wohnung. Deshalb bekommt er dann nicht einmal Hartz-IV. So ist es. Jeder hat eine Chance? Ich sage: Nein. Die Wenigsten.

Vom "Mutieren" der "Kirchen" zu Wirtschaftsunternehmen, die so wunderbare Projekte wie den Wolfsbarsch im Viktoriasee unterstützen und dadurch die ansässige Bevölkerung (der es vorher gut ging!) ins Elend zu stürzen, fange ich gar nicht mehr an. Das wäre ein riesiges Kapitel für sich. Nur Eines muss ich loswerden: Um in einem kirchlichen Sozialunternehmen arbeiten zu dürfen, muss man in eine Kirche eintreten, während die kirchlichen Zuschüsse minimal sind, da das Finanzielle der Staat erledigen soll. Und dieser wiederum kürzt fleißig. Es ist zum Verzweifeln. Aber das, was ich tue, ist zu wichtig, also habe ich keine Wahl - wie immer.

Hier liegt so Vieles im Argen, und unser Wahlsystem blockiert jede Möglichkeit, im Zuge echter Demokratie am Finanz-, Lobby- und Parteiengeklüngel zu rütteln. Es kotzt mich an, Verzeihung, dass mir ständig nur das kleinere Übel zur Wahl gestellt wird ...

Lieber Falderwald, ich danke dir für deine Worte, und entschuldige meinen "Wortschwall", aber manchmal wird ein Nerv getroffen und der Schmerz geht tief.

Lieben Gruß

Stimme der Zeit
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Geändert von Stimme der Zeit (10.04.2011 um 12:36 Uhr)
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