Wahrnehmung
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Er blieb allein im großen Stadgetriebe,
ein Eremit im Riesenblockgebiet.
Nur in der Früh, im Straßenbahngeschiebe,
da sah man ihn und auch, dass er nichts sieht.
Sein Blick war stets auf einen Punkt gerichtet,
kein Schubs entlockte eine Reaktion,
er war nicht blind, nicht taub, nur ausgerichtet
auf Nummer acht der Haltestation.
Dort ging er unter in der Menschenmenge
und tauchte abends wieder auf und fuhr,
genauso unberührt von dem Gedränge,
zur Nummer drei, der Wohnbetonkultur.
Mich streiften im Vorübergehen Zeilen,
dass wieder jemand sich das Leben nahm.
Die Gegend stimmte, so dass ich bisweilen
den Eremiten angedacht und kam
auf die Idee, er wäre es gewesen,
was ich verwarf, es kam mir viel zu nah.
Viel schlimmer noch, denn hätt ich nichts gelesen,
dann bliebe wohl sein Bild noch lange da.
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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