Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20.02.2010, 21:27   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.910
Standard

Liebe Dana,

der Glamour machts möglich.
Er verwendet viel Zeit auf sein Aussehen, seine Gesten und seine Selbst-Inszenierung.
Diese Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit hebt sich von Alltag und Durchschnitt ab.

Zitat:
Auf dieser Feier war ich weder Gast noch der Verrichter,
ich war Beschauer, jenem Trubel nah, doch nicht verpflichtet,
und sah genauer welche Regeln galten. Die Gesichter
im Dauerlächeln und ein Blick, der gnadenlos vernichtet.
Ja das Publikum. Interessant es zu beobachten. Alle schauen freundlich und nett, doch hinter den Fassaden ist ein eiskaltes Kalkül versteckt.
Was Rang und Namen hat, möchte sich dort interessanter machen, die Aufstrebenden versuchen Beziehungen zu knüpfen, sich anzubiedern und zu profilieren. Gesehen werden ist alles, dabei sein zählt.
Doch hinter dem Lächeln lauert der eiskalte Blick der Analyse. Dabei wird entschieden, ob und wer von wert ist oder nicht.

Zitat:
Der Nadelstreifen kam mit einem Weihnachtsbaum beseitet,
ihr grüner Samet reich mit Gold bestückt und perlbehangen,
schön ausgemalt die Augen, kunstbewimpert und geweitet,
hielt er sie fest, denn stelzig stand in Schühchen sie gefangen.
Dem Funktionär reicht es nicht, sauber, adrett, mit Schlips und Kragen aufzutreten. Er schmückt sich gerne noch mit einer netten, schlanken Fichte, möglichst jung, die man zu einem Schönheitsideal umfunktionieren kann.
Natürlich muss sie sexy aussehen, damit klar wird, daß er auch ein ganzer Kerl ist. High-Heels können dabei hilfreich sein, verlängern sie doch die Beine. Natürlich muss auch sie geübt sein. Gutes Theater braucht gute Schauspieler.

Zitat:
In schweren Düften hingen Fähnchen stolz und ausgerichtet
nach allen Seiten, weil’s beständig gilt zu imponieren
mit Rang und Namen, die in jedem Blatt geschönt belichtet,
zum Preis der Lüge die Fassaden halten und polieren.
Die Luft ist "geschwängert" von Chanel, Joop!, Christian Dior, Estée Lauder und wie sie alle heißen. Schmuck, Kleidung, Frauen, alles nach Maß, nichts ist von der Stange.
Dabei muss man sich gegenseitig übertreffen.
Kontakte werden gehalten, denn nur so kommt man in die Medien, um sich das gewünschte Image in der Öffentlichkeit aufzubauen.
Wie es dahinter in Wirklichkeit aussieht, bleibt hinter dem Zweck verborgen.

Zitat:
Des Festes Tenor war ein guter Zweck, es wurd’ gespendet,
im Grunde Weihrauch für das Showtheater der Elite.
Die frohe Kunde, wie der große Mann sich stets verwendet
klebt an der Spende, die er fühlen kann, sie bringt Rendite.
Der gute Zweck zieht immer gut und ist besonders werbewirksam.
Die Großzügigkeit wird niemandem wirklich weh tun, denn Schaden wird sich wohl kaum jemand selbst zufügen.
Im Gegenteil, mit ein wenig Geschick und Rhetorik wird die offenherzige Spende schnell zu einer guten Investition. Zudem ist sie von der Steuer absetzbar, natürlich.

Zitat:
Auf dieser Feier nahm ich weder Trank noch Partyhäppchen,
denn dem Beschauer boten Bilder sich voll Dreistigkeiten;
hungernde Kinder zierten Außenwand und Aktenmäppchen,
im Saale tanzten selig trunkene Barmherzigkeiten.
Dabei kann dem Beobachter schnell der Appetit vergehen, denn so viel Heuchelei und Scheinheiligkeit schlägt auf den Magen.
Dort der Hummer und der Kaviar, während die Hungerkinder halbnackt mit aufgeblähten Bäuchen von den Plakaten den feisten Bonzen beim Fressen und Saufen zuschauen, wie sie sich und ihresgleichen selbst feiern.

Ja, liebe Dana, das hast du fein beobachtet, verdichtet und auf den Punkt gebracht.
Deine verse beleuchten diese Szenerie einmal von einer ganz anderen Persepektive.

Wie Blaugold schon anmerkte, ist eine kleine Metrikunebenheit in S5/Z3 vorhanden.
Vorschlag: Streiche einfach das metrisch unpassende "hungern" am Zeilenanfang und ersetze es wie folgt:

Die Hungerkinder zierten...

Vielleicht fällt dir noch was Besseres ein.

Dein Gedicht ist Sozialkritik vom Feinsten und hat mir gut gefallen.


Gerne gelesen und kommentiert. .. .


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten