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Alt 24.07.2009, 14:14   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Cypi!

Ja, deine Interpretation wäre möglich, gäbe es da nicht die letzten Zeilen:
"...dass jene Oberfläche, die von IHM Befehle // erhält sich kräuseln will und endlich aufbegehrt!"
Dies zeigt sehr deutlich, wo sich dieses Gedicht abspielt: Eben in den Niederungen ganz prosaischer häuslicher Gewalt! Irgendwie hat mich immer fasziniert, wie unsicher, selbstverleugnend, selbstverachtend bis zur kompletten Selbstaufgabe Menschen sein können, dass sie ihr ganzes Sein solchen seelischen Vergewaltigern unterordnen! Waren sie schon immer Opfer oder wurden sie erst gebrochen und eingeschüchtert? Wohl beides!
Es gab tatsächlich eine Zeit, da ich mit solchen "Geschlagenen" keinerlei Mitleid hatte - ich konte mir schlicht nicht vorstellen, was es bedeutet, unterdrückt und ständig bedroht zu werden, und wie klein einen das mit der Zeit macht - immer kleiner, je länger man es zuläßt!
Dann hatte ich Zoff mit einem Bikerclubpräsi, der mich fertigmachte mit den Worten: Und wenn du dich wehrst, dann schick ich dir meine Leute auf den Hals! (Hierbei handelte es sich um ein gutes Dutzend Gewaltmenschen, die auf das Kommando: "Spring!" bestenfalls gefragt hätten: "Und auf WEN?")
Da erst erfuhr ich, was es bedeutet, der Schwächere zu sein, und wie hilflos man dem letztlich gegenübersteht. Wieviel Mut und aufgestaute Verzweiflung es einem abverlangt, sich dennoch hinzustellen und die Ohrfeigen zu kassieren, weil man sich nicht brechen lassen will!
Wieviel leichter wäre es doch, klein beizugeben und sich mit jedem Schritt zurück tiefer in Abhängigkeit, Unmündigkeit und Unterwerfung treiben zu lassen! Und genau davon leben diese Tyrannen, weil sie die Welt selbst nie anders kennengelernt haben und viel zuviel Angst haben, es könnte ihnen so ergehen wie ihren Opfern!
Im Gedenken an dieses Gefühl der Hilflosigkeit im Angesicht von Schmerz und Schrecken habe ich dieses Gedicht geschrieben.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (10.05.2016 um 00:04 Uhr)
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