Thema: wasserfall
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Alt 07.06.2009, 17:02   #9
Blaugold
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 23.02.2009
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Hallo Helene

Ich las sehr aufmerksam das Gedicht und die Kommentare. Dabei fiel mir auf, dass einiges scheinbar nicht auffällt.

die schleuse öffnet sich

der damm bricht

so sehr brannte es
unter der erde

und rote tropfen
drängen zaghaft
hinaus

in die längst vergessene

freiheit


Eine Schleuse ist etwas Erbautes, um einen geregelten Durchlass zu ermöglichen. Es gibt keine Schleuse, die Lava entweder aufhält oder zeitweise (kontrolliert) fließen lässt. Eine Wasserschleuse gibts. Lava fließt, solange es sehr heiß ist und der Druck hoch, oder wenn es steil abwärts fließt relativ schnell. Sobald er erkaltet natürlich langsamer, zäher. Ich denke allerdings wie Larin, falls Lava an die Oberfläche drängt - und dies ist die mögliche Aussage des Gedichtes - ist da schon "Dampf" dabei! Deshalb ist die folgende Zeile widersprüchlich: Da schreibst du von zaghaft. Also ist "das Rote" keine Lava.
Eine "längst vergessen" Freiheit" - was ist das in den Fakten einer Naturbeschreibung? Sich etwas merken oder vergessen kann nur die Psyche,(oder Versinnbildlichungen in Märchen z.B., da dürfen sogar Holzklotze von Engel träumen ) Was ich meine: Natürlich ist eine mögliche Metapher dafür, dass z.B. der Himmel "weint" auf das Äußere bezogen, der Vergleich von Tränentropfen und Regentropfen ist ok. Doch albern wirds, wenn die gefühlsmässige Stimmung des Menschen dafür verwendet wird (das endet dann, dass die Regenwolken traurig sind... ) Zumindest sehe ich Metapher und Sinnbilder im ernsthaften Sinn so!!
Metapher sind im Grunde uralte phantasievolle Hilsmittel des Menschen, um nicht ganz klar verständlich seelisch-psychische Beweggründe (wofür es auch heute noch an vielerlei konkreten Worten mangelt) adäquat zu beschreiben.
So entstanden die sogenannten Götterbilder, Märchenfiguren und andere Umschreibungen. Man versuchte mit Zusammenhängen der Natur ähnliche menschliche Eigenschaften zu beschreiben, um diese inneren Dinge irgendwie verständlich zu machen.
Verstehst du, wie ich dies meine?

Wenn man das Gedicht als Geburtsvorgang interpretiert, kommt man zu großen Teilen auch auf eine mögliche Intention, die die Dichterin vielleicht hatte:

Die Schleuse des Geburtskanals öffnet sich, der Damm bricht (reißt ein), die Gebärende blutet - und dies geschieht tatsächlich eher ohne Schwall
Das Neugeboren mag die "Einkehr" in das Leben außerhalb der Mutter als Freiheit empfinden. Aber längst vergessen? (siehe oben)
Die Mutter kann die neue Unabhängigkeit von der Schwangerschaft als wiedergewonnene Freiheit empfinden, ok. Tränen (des Glückes?) sind dann im Sinne vom Titel der Wasserfall. Doch dies aus dem Gedicht logisch zu schließen ist nur mit sehr viel wohlwollender Interpretation möglich, finde ich.
Denn vor allem verkryptete Texte sollten meiner Ansicht nach sorgfältig und schlüssig logisch aufgebaut sein. Auch mir gelingt das nicht immer; denn die Sichweise der Leser darf nicht unterschlagen werden, denn sie sollen ja verstehen!

Blaugold
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