Thema: Nachtstück
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Alt 26.02.2018, 15:25   #3
Sufnus
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Hi Chavali!

Dankeschön für die archäologische Expedition ins mittlere Sufnuzoikum.

Das Gedicht entwirft zwei Bilder der Nacht: Es fängt mit einer heilen Nacht an, die "in freundlicher Routine" ihre Sternendecke behutsam über den Schlafenden ausbreitet; ein Idyll, das mit dem (hoffentlich eine gewisse Verstörung erzeugenden) Bild von den ausgefegten Augen (Sandmännchen!) schon deutliche Risse erleidet. In den Terzetten dominiert dann die Nacht als die unheimliche Zeit, "die Dunkelheit ist das alte Verderben". Der letzte Satz ist mehrdeutig... ein Versprechen, dass es auch wieder morgen werden wird, aber der Verweis auf das, was (vielleicht irreparabel) über Nacht zu Bruch gegangen sein könnte.

Formal bemühen sich die Quartette um einen zwar natürlichen (fast Prosa-artigen) Ton, aber in einem (wenn man gutwillig ist) relativ regelmäßigen Metrum und einem Sonett-gängigen Reimschema. Die Terzette lösen dann jedes Metrum auf und verstoßen gegen die etablierten Reimschemata im Sonett: Eine Welt in Auflösung.

Der Ausruf "wer schreit da?" ist übrigens eine Anspielung auf das Gedicht von Alexander X. Gwerder "Ich geh unter lauter Schatten", in dem die Schlüsselzeile vorkommt "wenn ich nur wüsste, wer immer so schreit". Es ist das lyrische Ich selbst, dass seinen eigenen Schrei hört.
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