Hi Sy!
Da sagst du etwas Wahres! Ich bin sehr allgemeingebildet und hochintelligent (sorry für das Eigenlob, ist eben so ...

), aber in sozialen Dingen gleiche ich einem halbfertigen Haus!
Manche Räume sind schon fertig und eingerichtet, andere wichtige Teile, ohne die ein Haus nicht funktionieren kann, sind noch ohne Einrichtung, oder ungedeckt, oder erst in Planung, oder noch nicht mal das!
Ich bin eine seltsame Mischung aus tränendem Mitleid und kalter Soziopathie, intuitivem Handeln und manipulativer Berechnung. Und oft merke ich nicht einmal, dass ich jemanden düpiere, weil mir das Sensorium dafür zu fehlen scheint oder ich erst gar kein Fehlverhalten erkenne.
Das liegt wohl an meiner isolativen Erziehung. Ich kam erst als Vierjähriger - im Kindergarten - überhaupt mit anderen Kindern in relevanten Kontakt - da hatte ich schon viele Phasen frühkindlicher sozialer Prägung verpasst. Mein Vater hatte immer viel zu viel Angst davor, mich mit anderen Kindern im Hof spielen zu lassen, da dieser bei uns zur Straße hin offen war: Jemand hätte mich entführen können, oder ich hätte in ein Auto laufen können, so sein Gedanke. Also beschränkte sich meine soziale Erfahrung in den ersten vier Lebensjahren darauf, vom Balkon im ersten Stock aus durch die Gitterstäbe den anderen Kindern zuzuschauen und ab und zu ein Spielzeug hinunterzuwerfen, um eine Reaktion zu bewirken. Ich empfand es allerdings nicht als Gefangenschaft - ich kannte es ja nicht anders, und Kinder werten nicht.
Später blieb ich immer der "irgendwie Komische", weil die anderen Kindern instinktiv merkten, dass etwas bei mir nicht stimmte. Ich war nicht bösartig psychopathisch, aber besitzergreifend und vereinnahmend - ein kleiner Kontrollfreak, würde man heute sagen. Alles musste im Rechten Winkel liegen - einer von mehreren Ticks, die ich mir bewusst abtrainieren musste. Das verprellte mögliche Freunde, und ich fühlte mich stets zurückgewiesen. Später wurde ich, klein und dick und mit Brille und Opaklamotten, wie ich an anderer Stelle schon erzählte, zum Lieblingsopfer aller anderweitig Frustrierten. Mit um die 16 habe ich nur aus purer Feigheit nicht zum Strick gegriffen!
Nur als freakiger Klassenclown konnte ich zumindest noch marginal punkten, und diese Rolle wurde ich nicht mehr los. Niemand nahm mich ernst: Meine Eltern sahen nur den Unreifen, meine Lehrer den angepassten Verweigerer, meine Klassenkumpel das Opfer oder den Hofnarren. Ich konnte Selbstwert nur aus mir selbst schöpfen, und das machte mich arrogant und herablassend, was die Lage auch nicht verbesserte. Es hieß immer: Ich gegen die Welt. Irgendwann war ich des Konfliktes müde und zog mich aus dieser Welt zurück, spielt das Menschenspiel nicht mehr mit. Die einzige Ausnahme bildeten da meine 15 Jahre in der Rockerszene - eine überschaubare kleine Welt, deren Regulative berechenbar sind. Aber auch das nutzte sich ab. So lebe ich weiter eremitär und streife die Welt so marginal wie möglich. Ich hasse unkontrollierbare Situationen wie die Pest. Lieber erst gar keine schaffen.
So, jetzt habe ich wieder zuviel erzählt, im Sinne von "dich gelangweilt". Sorry, das hat sich etwas verselbstständigt ...
LG, eKy